Hoteldirektorin Melinda Madarasz und Küchenchefin Verena Pauli sind ein „crazy team“, wie letztere selbst sagt. Standard ist nicht ihr Maß.

Der Bruggwirt hat seit Mai dieses Jahres neue Besitzer: Die Familie Lackner hat das Haus an eine Gruppe ungarischer Investoren verkauft, Betreiber ist „Accent Hotels“. Das war bestimmt kein leichter Schritt, doch das Hotel ist in gute Hände gekommen.Geschäftsführerin Melinda Madarasz verfügt über langjährige Erfahrung als Hoteldirektorin; an ihr liegt es nun, den Bruggwirt als „Boutiquehotel“ in eine erfolgreiche Zukunft zu führen, und sie geht diese Aufgabe mit viel Herzblut an. Auch das Hotel-Restaurant „Platzhirsch“ soll wieder mehr Gäste, vor allem einheimische, anziehen. In früheren Jahrzehnten war der Bruggwirt mit hauseigener Disko und der Hotelbar ja ein beliebter Treffpunkt der St. JohannerInnen. Daran will sie anschließen. Auch die Terrasse, eine bezaubernde, grüne Oase des Genusses, soll wieder in den Mittelpunkt rücken. Melinda hat viel vor. Und sie ist nicht alleine: Ihr zur Seite steht Küchenchefin Verena Pauli.

Wechselhafte Stationen

In Hannover in eine Arztfamilie hineingeboren, „flüchtete“ Verena schon als Jugendliche vor den Erwartungen ihrer Eltern zuerst nach England und dann nach Florenz, wo sie in einer Familie aufgenommen wurde, die vier Restaurants betrieb. Die Gastronomie wurde ihre Welt. Aber nicht ihre einzige: Immer neugierig und stets offen für alles Neue, absolvierte die heute 59-Jährige nebenbei die Ausbildung zur Journalistin, betrieb 14 Jahre lang eine Castingagentur in München, war Food-Stylistin für Kochbücher, arbeitete als Food-Hunter für einen großen Konzern und jagte für jenen rund um den Globus nach neuen Produkten. Sie schrieb redaktionelle Berichte für Unternehmen der Lebensmittelindustrie, sammelte in der ganzen Welt Rezepte und Fotos von Gerichten, machte eine Ausbildung zur Heilkräuterfachfrau – und träumte seit 15 Jahren davon, ein eigenes Restaurant mit dem Namen „Platzhirsch“ zu eröffnen.
Als sie in München arbeitete, führte sie ihr Weg immer wieder nach Kufstein, dann weiter nach Söll, bis sie endlich in Kitzbühel und dann in St. Johann landete. Hier sollte der Traum vom eigenen Restaurant wahr werden. Aber – welch ein Schreck – da gab es bereits einen „Platzhirsch“.
Über ein Inserat in der Zeitung erfuhr sie, dass man für das Restaurant und den Bruggwirt eine Küchenchefin suchte. Verena war neugierig – wieder einmal. Und vereinbarte einen Vorstellungstermin.

Starkes Duo

„Dann haben wir uns getroffen, und ich habe gewusst, mit Melinda kann ich zusammenarbeiten, und wir können gemeinsam etwas Neues starten“, erzählt Verena mit einem breiten Lächeln. Die beiden Damen, die mir gegenübersitzen, machen einen vertrauten und harmonischen Eindruck. Da haben sich zwei Seelen gefunden, sie bilden ein Team mit denselben Visionen und demselben Ziel. „Als wir uns getroffen haben, war gleich klar, dass wir uns verstehen“, erzählt Verena. „Wir haben ein so tolles Gespräch geführt, und ich habe Melinda einfach überfahren mit meinen Ideen.“ Sie lacht. Melinda stimmt ein und bestätigt: „Ja, das war sehr interessant, ich musste erst einmal eine Nacht darüber schlafen.“ Sie habe schon viele Job­interviews geführt, sei seit 20 Jahren in der Branche, aber eine Erscheinung wie Verena sei ihr noch nie untergekommen. „Ich bin halt ein wenig ungewöhnlich“, meint Verena, „auch in der Küche.“ Sie setzt nach: „Aber sie ist auch keine normale Managerin.“ Die Küchenchefin deutet auf die Direktorin, lacht und legt ihren Kopf auf deren Schulter. Die beiden haben sich gesucht und gefunden.

Tiroler Tapas und mehr

In der Küche des Bruggwirts setzt Verena nun Ideen um, die schon seit Jahrzehnten in ihrem Kopf herumspukten. Sie bietet Trendfood an, gesundes Essen; die Begriffe Nachhaltigkeit, Natürlichkeit und Regionalität spielen eine wichtige Rolle. Von den Hotelgästen gibt es viel Lob dafür – nicht wenige sagen, sie würden allein wegen des Essens jederzeit gerne wieder kommen. Für sie ist schon das Frühstück ein kulinarisches Highlight, bei dem man sie täglich mit anderen, kleinen Leckerbissen verwöhnt. Aber auch den Einheimischen wollen Verena und Melinda die neue Küche des Bruggwirts schmackhaft machen. Mit ungewöhnlichen, täglich wechselnden Gerichten wie den Tiroler Tapas am Dienstag: Spinat- und Käsepressknödel, Zillertaler Krapfen, St. Johanner Würstel mit Kren, Käsespätzle, Schnitzel mit Kartoffelsalat … alles klein und mundgerecht in Schälchen und Schüsselchen serviert. Verena erzählt begeistert, Melinda rollt scherzhaft mit den Augen. Ihre Küchenchefin hat ein Faible für diese kleinen Schüsselchen und Schälchen – sie teilt jene nicht unbedingt. Sie lacht.
Verena liebt die regionale Küche, sie verleiht ihr gerne noch das gewisse Extra, den „Twist“, wie sie es nennt. Suppenpulver in der Rinderbrühe ist für sie ein „No-Go“, auf der Karte findet sich Kalbfleisch neben dem Bio-Almkalb. „Die meisten unserer Gäste entscheiden sich für Bio, das Bewusstsein hat sich hier schon sehr geändert, das finde ich gut,“ berichtet sie. Auch asiatische Einflüsse lässt sie gerne zu, wie die indonesische Zitronengras-Curry-Suppe auf der Karte beweist. Verena verschanzt sich nicht hinter ihren Töpfen in der Küche, sondern mischt sich gerne unter die Gäste, um direkt Feedback zu bekommen und Anregungen. Auf der Festplatte ihres Computers hat sie zirka 50.000 Fotos von Gerichten gespeichert. Es sind 50.000 Inspirationen. Die Rezepte dazu hat Verena im Kopf. „Freihändig muss man können.“
Inzwischen hat es sich schon herumgesprochen, dass man im „Platzhirsch@Bruggwirt“ gut essen kann. Die Gäste lieben die besondere Atmosphäre des Lokals mit seinem bunt zusammengewürfeltem Mobiliar und den farbigen Wänden. „Als Zugezogener bist halt ein Außerirdischer“, sagt Verena etwas nachdenklich. Aber sie weiß, dass sie sich schrittweise bereits in die Herzen der St. JohannerInnen gekocht hat. In einem „crazy Team“ mit Hoteldirektorin Melinda, wie sie sagt. Und mit viel Frauenpower.
Für alle, die wissen wollen, wie sich diese Power am Gaumen ausdrückt, gibt es nur eines: Einkehren im Platzhirsch!

Doris Martinz