Hans Mettler vom „Pointenhof“ ist Obmann des St. Johanner Oldtimer-Vereins in St. Johann. Er erzählt von seinen „Lieblingen“, von Schneebar-Kontakten und alten Zeiten.

Das große Knattern“ – diesen Titel könnte das jährliche Oldtimertreffen in St. Johann tragen. Wenn sich die Traktoren-„Oldies“ am Parkplatz der Bergbahn sammeln, poltert, tuckert, dampft und qualmt es ohne Unterlass. Bis zu 150 der charmanten, aufpolierten alten Traktoren bahnen sich über die Weitau den Weg nach Oberndorf, zurück geht es über Wiesenschwang und das Egger-Werk, bevor die Fahrzeuge hinauf zum Pointenhof schnaufen. Hier ist der Obmann des Vereins daheim, Hans Mettler. Nur ein Jahr nach der Gründung im Jahr 1987 in Kirchberg übernahm Hans als Obmann die Geschicke des Vereins und „übersiedelte“ ihn nach St. Johann (der Oldtimer-Verein St. Johann ist der erste eingetragene Oldtimer-Verein in Tirol!). 18 Oldtimer der verschiedensten Marken hat er heute in seiner Scheune stehen, Traktoren, aber auch alte Motorräder. Ein „Harz“, ein in Deutschland gebauter Traktor, war sein erstes Sammlerstück. Gerade einmal zehn Pferdestärken setzt sein Motor um, aber darum geht es gar nicht. Worum dann?

Wo die Oldies Spalier stehen

„Die meisten Traktoren, die wir sammeln, gehören der ersten Generation an. Sie haben das Pferd abgelöst und die Landwirtschaft revolutioniert. Wir wollen den Leuten, besonders den jungen, zeigen, wie man früher gearbeitet hat“, erklärt Hans. Die Modelle, die er und die anderen 45 Vereinsmitglieder vor dem Verschwinden bewahren, sind allesamt mit viel Liebe aufbereitet und wieder in Gang gesetzt worden. Sie sind Zeugen einer längst vergangenen Zeit, in der alles – die Technik, und vielleicht auch die Menschen – noch einfacher „gestrickt“ waren. Es gab noch keine Perkins-Syncro-Motoren, AdBlue-Systeme oder LED-Lichter. Dafür waren die Traktoren als unverzichtbare Helfer auf dem Feld und im Wald einsetzbar, grundsolide und in ihrer ehrlichen Einfachheit nicht umzubringen – bis heute nicht. Ist ein Teil kaputt, wird es ausgetauscht oder – notfalls – improvisiert. „Irgendwie geht’s immer!“, sagt Hans. Original-Ersatzteile hat er früher per Brief oder telefonisch bestellt. „Da gab es dann immer irgendwo einen Fritz, der wusste, wo man was bekommt.“ Heute bestellt er übers Internet – das ist einfacher. Aber spannend ist es immer noch, Originalteile zu bekommen. „Für Steyr kommt ganz viel aus Tschechien!“

„Hochzeitskutsche“

Ich fange an zu verstehen, warum seine Augen so strahlen, als mir Hans in der Scheune hinter dem Hotel seine „Perle“ zeigt – einen roten 45er Steyr, Baujahr 1958, mit 68 PS, ein ziemlich großes Gefährt, blitzblank geputzt und startbereit. „Der läuft wie ein Glöckchen!“ Ein wenig muss der Oldy aber noch warten, gefahren wird er erst wieder, wenn die Frühlingssonne den Schnee geschmolzen hat.
Hans kutschiert mit dem großen roten Steyr Urlaubsgäste und auch Brautpaare. Schon öfter hat er seine Scheune in einen „Trausaal“ verwandelt mit einem roten Teppich in der Mitte und den Oldies, die links und rechts „Spalier stehen“. Nicht nur für Paare mit landwirtschaftlichem Hintergrund ist diese Location der Himmel auf Erden. Zu diesen Gelegenheiten oder bei kirchlichen Anlässen werden die Schönheiten festlich mit Blumen und Schleifen geschmückt. Zu den Ausfahrten aber nicht: „In der Landwirtschaft hat man sie ja auch nicht „aufgebüscht“!

Nicht verkaufen, sondern tauschen

Hans richtet jedes Jahr einen oder zwei Oldies her. Wenn sie auf dem Pointenhof angeliefert werden, sind sie meist „Leichen“ – so bezeichnet Hans die alten, fahruntüchtigen und oft schrottreifen alten Traktoren. Auf zwei von ihnen stoße ich bei meinem Besuch in der Scheune – ihr Anblick ist wirklich herzzerreißend: Das Blech ist zerbeult, der Motor besteht aus einem Haufen loser, für mich nicht zu identifizierender Metallteile, Räder fehlen. Es sieht aus, als hätte man den Traktoren die Zähne ausgeschlagen. „Die sind noch krank“, sagt Hans. Er wird sich gut um sie kümmern: sie zuerst einmal waschen, dann zerlegen, sortieren, ausklopfen, Ersatzteile bestellen und einbauen. Bis zu zwei Jahre kann es dauern, bis eine „Leiche“ wieder unter den Lebenden wandelt und bei der Ausfahrt fleißig vor sich hin tuckert. Natürlich kann Hans nicht alle Gefährte, die er herrichtet, selber behalten – auch die große Scheune ist irgendwann einmal voll belegt. Verkaufen ist kein Thema, lieber tauscht er. „Es gibt Oldies, die ich doppelt habe. Wenn ich ein interessantes Modell sehe, das ich gerne hätte, kann man auch einmal tauschen.“ Das ist im Prinzip wie bei den Briefmarken? Hans nickt zustimmend.

Geschäfte an der Schneebar

Hans hält Augen und Ohren immer offen für neue Schätze. Mitunter ist es ganz leicht, von interessanten Optionen zu erfahren: „In der Schneebar mache ich oft die tollsten Geschäfte. Man kommt ins Gespräch, geht in die Scheune zum Oldtimer-Schauen, und dabei kommen dann interessante Verbindungen zustande.“ Für eine „Leiche“ gibt Hans nicht viel Geld aus, aber für ein Modell in gutem Zustand sind bis zu 15.000 Euro zu berappen. Seine „Perle“, der große rote Steyr, ist auf jeden Fall so viel wert. Aber er würde sich nie von ihm trennen, ist er doch sein ganzer Stolz. Auch den grauen Italiener, den Landini, den man zum Starten ankurbeln muss, gibt er nicht her, und auch nicht den blauen Hanomag. Den Franzosen, Baujahr 1928, natürlich ebenfalls nicht. Genausowenig wie den Lindner-Traktor, Baujahr 1953, 20 PS, auf Hochglanz poliert.
„Schau, den habe ich zum 70. Geburtstag bekommen“, sagt Hans und deutet auf ein Lindner-Modell aus Holz. Originell!
Hans, mittlerweile 73, hat vor 50 Jahren den Pointenhof gebaut, seit zwölf Jahren führt ihn sein Sohn Hans junior, „Hansi“. In das Hotelgeschehen mischt sich Hans nicht mehr ein, aber in der Schneebar mischt er noch mit – aus guten Gründen. Schrauben, Basteln, Ausfahrten unternehmen, die Beschäftigung mit den „alten Knaben“ ist sein liebstes Hobby. Wer seine Schätze bestaunen will, sollte sich schon einmal den 3. Juli eintragen – an diesem Tag treffen sich die Oldies zur Ausfahrt. Dann geht das große Knattern wieder los.

Doris Martinz