Hanspeter Ellmerer hängt die Uniform an den Nagel. Über seine Zeit beim Bundesheer und was ihn nun im Ruhestand umtreibt.

Er ist in St. Johann so bekannt wie ein bunter Hund. Während unseres Gesprächs im „Rainer“ kommen immer wieder Leute vorbei, die meisten kennen ihn, grüßen, unterhalten sich kurz mit ihm. Und ich warte geduldig. Das ist halt so, wenn man sich mit einer lebenden Legende trifft. Die Bezeichnung Legende im Zusammenhang mit seiner Person stammt übrigens von ihm selbst, sie bringt es aber wohl ganz gut auf den Punkt.
Nach fast 45 Jahren nimmt Hanspeter oder besser Peter, wie er in St. Johann von Beginn an genannt wurde, nun den Hut beziehungsweise den Helm, geht in Pension und verlässt damit die Wintersteller-Kaserne – den Ort, an dem er viel bewirkt hat. Er schiebt mir einen Zettel zu, auf dem die wichtigsten Fakten zu seinem Lebenslauf zusammengefasst sind. „Vzlt ELLMERER Hanspeter geb. 19 06 61 in Hopfgarten, aufgewachsen in Itter, rückte am 01 10 80 als Grundwehrdiener in Siezenheim ein und ist seit 01 10 81 in der Garnison St. Johann in Tirol in verschiedenen Funktionen tätig“, steht da zu lesen. Ich fasse die Funktionen zusammen: Jäger Gruppenkommandant bei der 1. Kompanie Jägerbataillon 21; Jäger Zugskommandant; 2 cm Fliegerabwehr Zugskommandant; Bundesheer Sportausbilder/Trainer; Heereshochalpinist; Dienstführender Unteroffizier; seit 2011 Kommandant der Betriebsstaffel in der Wintersteller-Kaserne. Viele Male steht da Jäger geschrieben, viele Male Kommandant. Klingt sportlich und energisch. Ist er das? Ich denke schon.
Bevor er 1980 zum Bundesheer kommt, ist er zuerst einmal Mechaniker mit einer abgeschlossenen Lehre in der Tasche. Die wirtschaftliche Situation ist damals nicht berauschend, die Arbeitslosigkeit bei jungen Leuten relativ hoch. Das Bundesheer mit seiner Kameradschaft und der Disziplin, die gefordert wird, kommt Peter entgegen, der sichere Arbeitsplatz auch – er verpflichtet sich und wird der Wintersteller-Kaserne zugeteilt. 1983 bezieht er eine kleine Wohnung in der Marktgemeinde, und als er einige Jahre später „seine“ Christl heiratet, wird aus dem Itterer endgültig ein Sainihånser.

Einsatz in Galtür

Peter erzählt mir von den Bundesheereinsätzen mit seiner Gruppe. Viele dieser Einsätze waren herausfordernd und schwierig wie jener zur Sicherung der Grenze des ehemaligen Jugoslawien im Jahr 1991 oder jener beim Hochwassereinsatz 2013. Die größte Herausforderung aber bedeutete der Einsatz beim Lawinenunglück in Galtür im Jahr 1999. Gemeinsam mit den „Buben“, wie er seine Rekruten nennt, sucht Peter damals so lange in den von der Lawine zerstörten Gebäuden, bis der letzte Tote gefunden ist. „39 waren es“, sagt Peter knapp. Wie geht man mit einer so belastenden Situation um? „Nicht nachdenken“, sagt er ebenso knapp. Eine Aufarbeitung habe es damals nicht gegeben, außerdem werde man im Bundesheer ja für Situationen wie diese ausgebildet. Auch wenn es wohl keine Übung gibt, die einen auf ein Jahrhundertereignis wie jenes vorbereiten kann.
Ob nun Ostgrenze oder Galtür, ob beim Hochwasser in Kössen oder den Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel: Peter war stets in Österreich im Einsatz, nicht im Ausland. „Ich habe mich immer für die Heimat entschieden, ich will unser Land und unsere Kultur schützen“, erklärt er. Zu dieser Kultur gehört auch der Nikolaus: Als Obmann der Kameradschaft der Garnison organisierte Peter viele Jahre lang die Nikolausbesuche in der Kaserne, den „Advent in der Kaserne“ und das Garnisonsschießen. Damit öffnete er die Kaserne auch nach außen und stellte die Verbindung zur Öffentlichkeit her. So wurde Peter immer bekannter und schließlich zum „bunten Hund“. Dass er seit 2016 auch Gemeinderat ist und sich im Ressort „Wasser und Kanal“ einbringt, dass er beim Sportausschuss, Überprüfungsausschuss und Straßenausschuss aktiv ist, mag auch dazu beitragen. Und natürlich die Tatsache, dass er beim SK St. Johann Tormänner trainiert.

Torwart und Musikant

Als Jugendlicher war er in Itter selbst Torwart – einfach deshalb, weil es keinen gab, und irgendjemand den Job ja machen musste. In Itter war er übrigens auch 16 Jahre lang Mitglieder der Musikkapelle, er spielte Bariton und Posaune, aber die musikalische Karriere endete mit dem Ortswechsel und aus Zeitgründen. Aber zurück zum Fußball: Auf den Fußballplatz fand Peter erst recht spät zurück: Im Alter von 45 Jahren stellte er sich zuerst nur für die St. Johanner „Altherren“ ins Tor. Bald bat man ihn jedoch, in der Kampfmannschaft auszuhelfen. Mit 50 wurde er schließlich Stammtorwart und bestritt als solcher hochklassige Spiele in der Tiroler Liga und im Tirol-Cup. Auch am Fußballplatz ist Peter deshalb: legendär.
Nach einer Zusatzausbildung übernahm er später das Tormann-Training und ist bis heute aktiv. Als Trainer geht er auch nicht in Pension, oder? „Sie sagen, das dem nicht so ist“, scherzt Peter. Mit „sie“ meint er den Vereinsvorstand, man will ihn offensichtlich noch behalten. „Solange es gesundheitlich geht und der Ball in die Richtung fliegt, in die er fliegen soll, trainiere ich weiter“, sagt er mit Nachdruck. So fit, wie er ausschaut, dürfte das noch länger gehen.
Der Sport war für Peter immer schon eines der Argumente, die für das Bundesheer sprachen. „Wir mussten Sport machen, wir durften Sport machen, das war Teil der Ausbildung. Wenn man sich damit identifiziert, mit einem gesunden Körper, dann ist das toll.“ Die Besteigung des Großglockners und Großvenedigers waren ein Muss, „im Nachhinein sind das unbezahlbar schöne Erlebnisse!“ Auch die Kameradschaft war es, die ihn über all die Jahre beim Bundesheer hielt: „Man weiß, dass man sich in schwierigen Situationen zu hundert Prozent aufeinander verlassen kann. Einer hilft dem anderen, das ist ganz selbstverständlich und einer der wichtigsten Punkte“, so Peter. Es gebe viele Parallelen zwischen dem Bundesheer und dem Fußballsport.
Da wie dort gilt auch sein Leitspruch bei der Ausbildung junger Leute: „Hart, aber fair!“
Für seine Leistungen beim Bundesheer wurde Peter vielfach ausgezeichnet, er ist unter anderem Träger der Verdienstmedaille in Gold der Republik Österreich und der Verdienstmedaille des Landes Tirol. Es sind keine kleinen Fußstapfen, in die sein Nachfolger Vzlt Robert Pacher tritt.

Das Land verteidigen

Es gibt ja viele Stimmen, die die Abschaffung der Wehrpflicht fordern. Naturgemäß sieht Peter das anders: „Es braucht eine Landesverteidigung, und wir sind auch nicht so schlecht aufgestellt, wie das oft dargestellt wird“, meint er. Speziell im Gelände, in den Bergen, könne man im Ernstfall seine Stärken ausspielen.
In der Ukraine kämpfen viele junge Männer derzeit freiwillig im Krieg. Ihr Einsatz beweist, dass Landesverteidigung Sinn machen kann. Als gutes Beispiel will Peter die Ukraine dennoch nicht sehen, denn: „Krieg kann nie ein Beispiel sein.“ Es gebe im Ernstfall aber keine andere Alternative zur Gegenwehr. „Es geht uns gut, wir haben alles und es gibt wohl kein schöneres Land als das unsere. Dieses Land ist es Wert, dass wir es verteidigen, damit es unseres bleibt!“ Das alles bleibt hoffentlich nur Theorie.
Nun steht der „Ruhestand“ an, der für Peter wohl alles andere als ruhig werden wird. Die Gemeinde und das Fußballtraining sorgen für ausreichend Abwechslung, und außerdem soll jetzt endlich die Familie im Mittelpunkt stehen. Christl und Tochter Julia mussten bislang immer zurückstecken, wenn der Mann und Vater oft bei Außendienst­einsätzen unterwegs war. „Julia wird heuer mit ihrem Studium fertig, und ich gehe in Pension, das war so ausgemacht und geht sich aus“, sagt Peter halb scherzend. Klingt seine Stimme für gewöhnlich militärisch stramm, wird sie, wenn es um seine Tochter geht, ganz weich. Julia ist sein Herzblatt, soviel ist klar. Er will jetzt die Zeit mit ihr und vor allem auch mit seiner Frau Christl genießen, ihnen etwas zurückgeben. Vor Muße fürchtet er sich nicht: „Wenn jemandem in der Pension langweilig wird, ist er selber schuld!“, meint er pragmatisch.
Bleibt mir nur, meinem Cousin Hanspeter, denn als solchen kenne ich ihn, alles Gute für die kommenden Jahre zu wünschen. Bleibe gesund und fit wie ein Turnschuh (der Vergleich stammt auch von ihm selbst) und lebe die Legende noch viele Jahre weiter!

Doris Martinz