Wie Eltern die Beziehung von Geschwistern positiv beeinflussen können, erzählt Bianca Froidl vom Vorstand des EKIZ St. Johann

Mal wie Hund und Katz, dann wieder unzertrennlich – die Beziehung zwischen Geschwistern ist etwas einzigartiges und besonderes, gerne kompliziert und anstrengend, aber auch dynamisch und wunderschön. Kaum eine andere Person kennt uns so gut oder weiß so viel über uns wie Bruder- und Schwesterherz, sie prägen uns nachhaltig und egal wie stark oder lose die Bindung zu ihnen ist, sie wird immer einen besonderen Stellenwert in unserem Leben haben.
Als Elternteil wünscht man sich wohl nichts sehnlicher, als ein harmonisches Zusammenleben, dass die Kinder liebevoll miteinander umgehen, gemeinsam spielen und sich gernhaben. Die Realität ist nicht immer ganz so rosig, und wenn wieder mal Streitereien überhandnehmen, ist es oft kaum mehr möglich, neutral und für alle fair einzugreifen.
Bianca Froidl ist dreifache Mama und in ihrem Umfeld bekannt für die Harmonie, die zwischen ihren Kindern besteht. Auf dem Weg zu diesem schönen Familiengefüge hat sie vieles gelernt, wie sie mir bei unserem Gespräch mit viel Humor und Herz erzählt.

Hör auf DEIN Bauch­gefühl und vertraue darauf

Jedes Kind ist einzigartig und hat ein eigenes Tempo, das sei das Wichtigste, das Bianca von ihren drei Kindern, heute 16, 14 und Acht Jahre alt, gelernt hat. Sie erinnert sich noch gut, wie sie ganz am Anfang zahlreiche Ratgeber gelesen hat, fest entschlossen, alles umfassend richtig machen zu wollen. „Das hat bis zu einem gewissen Grad auch gut funktioniert,“ meint sie lächelnd. Voller Zuversicht, einen von Fachwissen gepflasterten Weg zu beschreiten, geriet sie mit der Zeit dennoch ins Stolpern. „Jedes unserer Kinder entwickelte sich sehr unterschiedlich und individuell, und wo die einen in bestimmten Situationen ausgeglichen und brav waren, gab es bei anderen ohne erkennbaren Grund Tränen oder Streit.“ Irgendwann kam sie an den Punkt, wo sie all die Empfehlungen entschieden über Bord warf und sich stattdessen auf ihr Bauchgefühl verließ. „Keines meiner Kinder war weniger brav, klug oder lieb, es hatte einfach ein jeder eine grundlegend andere Persönlichkeit und ICH musste herausfinden, was es brauchte, damit sich jeder entfalten kann – dies konnte mir kein Buch oder Rat von außen abnehmen,“ so Bianca überzeugt.

Klare Grenzen von Anfang an

„Jedes Kind verleiht seinen Gefühlen anders Ausdruck. Manche sind sensibler als andere und in bestimmten Situationen überfordert oder frustriert, wo andere ganz entspannt sind und es auch bleiben,“ so Bianca. Es sei wichtig, den Kindern das Gefühl und die Sicherheit zu geben, dass sie so wie sie sind vollkommen okay sind und dass sie mit ihren Besonderheiten, Ecken und Kanten angenommen und geliebt werden. „Das bedeutet aber nicht, dass jedes Kind „Narrenfreiheit hat,“ erklärt Bianca. Kommt es nämlich zu Situationen, wo Frust und Überforderung in Wut ausgedrückt werden, die andere Menschen oder Gegenständen abbekommen oder wenn generell Dinge gemacht werden, die nicht okay sind, heißt es klare Grenzen zu ziehen und diese auch beizubehalten, auch wenn das manchmal sehr anstrengend sein kann. „Grenzen geben den Kindern Sicherheit und jedes Kind lotet diese auf sehr unterschiedliche Weise aus,“ weiß Bianca.

Die Geschwister tratzen, um sich selbst besser zu fühlen

Lustiges „Rangeln“ und Kräftemessen gehört wohl unter Geschwistern dazu. Sobald es aber Streit gibt, weil jemand sich gegenüber anderen respektlos verhält oder seine Emotionen an Brüder- oder Schwesterchen auslassen will, soll man schnell reagieren, erklärt Bianca. „Wir haben zum Beispiel versucht, den Kindern beizubringen, wie sie ihre Gefühle selbst regulieren können und ihnen damit Tools in die Hand zu geben, ohne dass ein anderes Familienmitglied darunter leiden muss.“ Hinaus an die frische Luft gehen und sich in der Natur zu bewegen habe sich dabei super bewährt. „Sie merkten schnell selbst, wie es ihnen danach besser ging,“ so Bianca. Sie habe die Streithähne auch mal die Frage gestellt, ob sie sich auch so mit einem Freund verhalten würden, und ob dieser bleiben würde, wenn dem so wäre. Denn nur, weil man im gleichen Haushalt lebe, sei es nicht okay, die Geschwister als Punchingball für die eigenen Gefühle zu benutzen. „Wenn man die Möglichkeit hat, kann man auch Rückzugsorte für die Kinder einrichten, wo beispielsweise das ältere Kind in Ruhe lesen kann, während sich das andere beim Spielen austobt,“ schlägt Bianca vor.

Eigene Erwartungen zurückschrauben

Oft passiert es unbewusst, dass unsere eigenen Wünsche und Träume zu Stolpersteinen in der Geschwisterbeziehung unserer Kinder werden. Wir alle haben unsere eigenen Erlebnisse und Erfahrungen gemacht, egal ob als große Schwester/großer Bruder, Sandwichkind, Nesthäkchen oder Einzelkind. Natürlich wünscht man sich, dass die Kinder sich untereinander gut verstehen, aber wie die Beziehung unter ihnen dann wirklich aussieht, hängt von den jeweiligen Persönlichkeiten ab. Manchmal entwickelt sich eine schöne Verbindung erst durch die Distanz, die entsteht, wenn das einstige Familiengefüge aufbricht, weil die älteren Kinder bereits ausziehen und ihren eigenen Weg gehen. „Die Beziehung zu meinen beiden jüngeren Brüdern ist heute sehr angenehm und harmonisch, früher hatten wir aufgrund des sehr großen Altersunterschiedes eher wenigere Gemeinsamkeiten,“ so Bianca. Dass bei ihren Kindern schon in jungen Jahren ein so schöner Zusammenhalt entstehen durfte, konnte sie vorher nicht wissen. „Uns war es einfach nur immer wichtig, dass jedes Kind das Gefühl hat, mit seinen Besonder- und Eigenheiten Platz in der Familie zu haben, sich einbringen und entfalten zu dürfen.“ Sie erzählt, wie sie und ihr Mann auch mal nach den Wünschen der Kinder etwas Neues ausprobiert haben, wie Harfe spielen mit der Jüngsten oder Skifahren und Biathlon, das heute mittlerweile der ganzen Familie Spaß macht.

Viele Hände, schnelles Ende

„Was noch wichtig ist, damit die Kinder von Grund aus schon entspannter sind und sich positiv auf die Beziehung von Geschwistern auswirkt ist: Druck rausnehmen, Grundvertrauen stärken und sich als Elternteil seiner Vorbildwirkung auf die Kinder bewusst sein,“ so Bianca. Dazu gehöre es auch, dass man als Mama und Papa auch auf sich selbst gut schauen sollte. „Ein Teil einer Familie zu sein, bedeutet auch, zu einem gewissen Grad Verantwortung zu übernehmen,“ sagt Bianca. Sie ist neben ihrem Vollzeitjob Mama auch berufstätig und hat mit der Zeit gelernt, die Kinder im Haushalt mit einzubeziehen. „Jeder hat etwas, das er gerne macht und gut kann, so helfen wir im Haus und Garten zusammen und sind schneller mit den Aufgaben fertig.“ Eine super Idee, denn somit sind nicht nur Mama und Papa entlastet, sondern es bleibt auch mehr Zeit für die lustigen Dinge, die der ganzen Familie Spaß machen. Und diese Momente sind die schönsten – wenn jeder auf seine Weise aufblüht, ganz nach dem Spruch: „Geschwister sind wie unterschiedliche Blumen aus demselben Garten.“

Viktoria Defrancq-Klabischnig