DER EHEMALIGE ST. JOHANNER ALPENVEREINS-OBMANN HORST EDER HAT AUS SEINER ERINNERUNG EIN PAAR ERLEBNISSE NIEDERGESCHRIEBEN.

Schuhlos in Osttirol
Lang ist’s her: an einem September-Sonntag anfangs der 1980er-Jahre fahren wir zu viert in stockdunkler Nacht über den Felbertauern nach Osttirol, Ziel ist der Namensgeber der Schobergruppe, der Hochschober. Vor Kals geht’s ins Lesachtal, hier wird geparkt. Schuhe-Anziehen. Aber: ein Paar Bergschuhe fehlt, trotz intensiver Suche im Kofferraum – sie tauchen nicht auf! Was tun? Heimfahren kommt nicht in Frage,­ also Plan B: wir fahren hi­nunter nach Lienz und weiter nach Nikolsdorf, zu unseren Freunden Gretl und Erhard Seiwald. Es ist noch dämmrig, als wir zum Haus Nr. 25 hinfahren, da geht im ersten Stock ein Fenster auf und eine bekannte Stimme, die Gretl, fragt: „Håb’s de Schuach vagess’n?“ – Das hat also gepasst! Aber besonders erfreulich war, dass die Schuhe von der Gretl unserer Schuhlosen auch wunderbar gepasst haben. Der Hochschober bekam also mit Verspätung unseren Besuch, gegenseitige Schuldzuweisungen waren bereits amnestiert und die Schuhe kamen auf dem Postweg wieder zurück zur rechtmäßigen Besitzerin.

Das Foto von Hansl und Christa

Anfangs der 1960er-Jahre war Hansl Moises aus dem Gasteinertal Kooperator bei uns in St. Johann, er war bergbegeistert und bald Mitglied im Alpenverein und in der Hochtouristengruppe „Ostkaiser“. Ein entscheidender Schritt war für ihn nach ein paar Jahren, als er die Seelsorgestelle in Reith bei Kitzbühel übernahm. In der Volksschule war nämlich die Lehrerin Christa Feiersinger tätig, und wie es sich so ergibt: der Vikar und die Lehrerin wurden ein Paar, sie waren später dann gemeinsam als Heimleiter in Innsbruck-Egerdach und dann in Salzburg-Elsbethen tätig und gründeten eine Familie mit zwei Kindern, Esther und David. Irgendwann in den späteren 1980er-Jahren gab es eine Fernseh-Sendung im ORF, die das Thema „Ehen von ehemaligen Priestern“ behandelte. Die beiden stellten sich ohne Scheu den Fragen und erzählten ihre – nicht immer ganz leichte – Geschichte.
Zwischen­durch gab’s Fotos, auch von der Hochzeit. Nur ein Bild fehlte mir; ich hatte bei einer Lärcheck-Gedenkfeier einmal ein Foto von den beiden gemacht, meiner Meinung nach gelungen und aussagekräftig, das hatte ich den beiden dann als Vergrößerung geschenkt und sie hatten eine große Freude damit. Nur in der Sendung kam das Bild nicht vor. Ich war – wieder einmal – zu ungeduldig: als der Bericht beendet war, erschien das Bild mit der Dohle am Gipfelkreuz als Nachspann. Immerhin hab’ ich’s also mit meinem Schnappschuss ins Fernsehen geschafft!

4 ½ Stunden, 24 Stunden, 6 Tage

HG-Woche, August 1987: Ziel ist das Wallis in der Schweiz. Zu sechst nächtigen wir im Mischabel-Biwak, das Wetter ist nicht besonders vielversprechend, die ganze Nacht pfeift der Wind um unser blechernes Domizil. Als dann in der Früh doch jemand den Blick ins Freie wagt, kommt die Meldung: schönstes Wetter! Schnelles Zusammenpacken, flottes Frühstück, Start also erst um 7 Uhr, eine Sünde für eine Westalpentour. Wir sind zwei Dreierseilschaften, das Gelände ist nicht schwierig, um 10 Uhr rasten wir am Beginn des steilen Firngrates. Plötzlich sind wir nur noch zu zweit: Stefan Pletzenauer und ich. Unsere Kameraden steigen ab und wir mühen uns im tiefen Neuschnee ab, der Gipfelgrat zum Täschhorn ist lang und steil, und es ist fast 14 Uhr, als wir am Gipfel (4.490m) stehen. Und da sehen wir unseren Weiterweg zum Dom: ein ordentliches Stück, zuerst Abstieg zum Domjoch, des öfteren Abseilen, Abklettern, Route-Suchen; wir wissen, es gibt heute einen späten Feierabend. Aber das Wetter ist bestens, also keine Panik. Wir sehen die Sonne untergehen und den Mond aufsteigen, schließlich sind wir um 22 Uhr auf dem Gipfel des höchsten Gipfels innerhalb der Schweiz, dem Dom (4.545 m). Viele Spuren im steilen Firnfeld weisen den Weg abwärts zum Lenzjoch und weiter zum Festijoch. Und hier sind die Spuren aus, ein Felsriegel als Sperre. Auch aus Karte und Führer werden wir nicht schlau, also genießen wir noch eine Mitternachtsjause, bevor wir uns im Biwaksack verkriechen und dahinschlummern, bis uns die erste Bergführer-Partie weckt. Jetzt ist der Abstieg zur Domhütte kein Problem mehr, außerdem ist’s Tag geworden. Bei der Hütte gönnen wir uns ein Frühstück, der Wirt setzt sich zu uns, und so nebenbei erzählt er uns, dass er da einmal in 4 ½ Stunden herübergegangen sei, wir staunen nicht schlecht, immerhin waren wir 24 Stunden am Weg. „Aber, ihr braucht euch nichts denken, da waren einmal Norweger am Weg, die haben sechs Tage gebraucht!“ Das nahmen wir als Trost mit auf unserem langen Abstieg ins Tal.

Das Porträt vom Wagger Peter

Des öfteren fuhren wir in den 1990er-Jahren zu unseren Freunden der Sektion Schlern nach Kastelruth zum Törggelen, immer verbunden mit einer Wanderung; diesmal wieder einmal nach Völser ­Aicha, wo im Vereinsheim eine „Böhmische“ aufspielt und der Tisch fein gedeckt ist mit allem, was eben zum Törggelen gehört. Da kommt ein älterer Herr zu mir und bittet mich, ich sollte doch ein Foto vom Wagger Peter machen und es ihm schicken, er ist Maler und möchte den Peter gerne porträtieren. Zur Erklärung: damals, vor über 30 Jahren, fotografierte man noch mit einem Film, in meinem Fall war das ein Diafilm, das dauerte seine Zeit: Film fertig belichten, einsenden zur Entwicklung, vom Dia dann ein Foto machen lassen. Ich schicke das Bild also an Herrn Staffler, dieser malt den Peter und will es schicken. Inzwischen sind ein paar Jahre vergangen und der gute Mann hat keine Adresse mehr. Was tun? Der Zufall will es, dass der Sohn von Hans Staffler in unserer Tourismusschule unterrichtet, der nimmt es mit und zeigt das Bild seinen Schülern, die Tochter vom Bürgermeister Sepp Grander nimmt das Kunstwerk mit nach Hause und bald ist die Identität vom Wagger Peter geklärt, sein Konterfei landet da, wo es hingehört.

Karten, Führerliteratur, Schlüssel

Ein nicht unwichtiger Teil im Alpenverein ist, dass die Sektion Landkarten und Führerliteratur im Fundus hat, um es den Mitgliedern zur Planung und Durchführung ihrer Touren zu leihen. Das hatte viele Jahre unser Freund Gerd Hahn übernommen, nach seinem frühen Tod übernahmen Hanni und ich dieses „Amt“. Und es war recht interessant, man erfuhr, wohin unsere Mitglieder fahren, und man erfuhr dann, wie es gewesen ist. Und auch den AV-Schlüssel hatten wir zum Verleih, dieser sperrt die Selbstversorgerhütten wie Ackerl- und Pflaumhütte. Und vor allem aus dem bayrischen Raum hatten wir oft „Kundschaft“, der Schlüssel wurde zu allen möglichen (und unmöglichen) Zeiten geholt, einmal z.B. im Winter um 10 Uhr abends, ein Paar mit kleinen Kindern in Gummistiefeln. Auf unsere Bedenken hin wurden wir belehrt, dass mit der Herausgabe des Schlüssels unsere Aufgabe erfüllt sei. Auch recht. Die Rückgabe funktionierte immer, wir erklärten den Ausleihern, dass sie die Ersten wären, bei denen das mit dem Zurückgeben nicht funktioniert hätte. Und den Ehrgeiz hatte dann doch niemand. Einmal rufe ich unser Mitglied Christian Steinbach an, weil ich glaube, er hat die Schlüsselrückgabe vergessen. Dem war aber nicht so! Er bat mich eindringlich, „i bin oft ob’n im Pflaumei, i håb’ fåst fi a jede Gams an Nåm’.“ Kein Problem, behalt’ ihn, solange du ihn brauchst! Vielleicht hatte er ja noch Schnee gesucht, für die Entwicklung seines Sprühbalkens für die Pistenpräparierung der Weltcuppisten, wer weiß. Jedenfalls brachte Christian zu gegebener Zeit den Schlüssel zurück, mit einer namhaften Spende für die Alpenvereins-Jugend, vielen Dank heut’ noch!

Die Krautkopftour

Sektionstour geplant, 26. Oktober 1991, Taghaube im Hochköniggebiet, aber: Sauwetter! Trotzdem schauen Hanni und ich beim Steinlechnerplatz vorbei, es könnte ja jemand das Wetter nicht so tragisch finden und mit der Tour rechnen. Und tatsächlich: da steht der Rass Fritz da, der Regen hat auch nachgelassen, also suchen wir uns eine passende kleine Tour. Von Unteranger in Kirchdorf zum Hinterberg, der alte Weg, das passt. Und oben, beim Feurerbauern, treffen wir den „Feurer-Christa“, weitum bekannt für sein schönes Kraut! Kleiner Hoan­gascht mit dem Ergebnis, dass wir Kundschaft werden, zwei ordentliche Krautköpfe und der Rucksack ist voll, ein ordentliches Gewicht am Weg über die Pfarralm und die Ebmahd­alm hinunter bis Weng und wieder zurück nach Unteranger. Das Kraut war also schwer verdient und hat dementsprechend wunderbar geschmeckt!  Horst Eder