Geschäftsführer Robert Horntrich über eine Nacht-und-Nebel-Aktion, Herausforderungen und Chancen für die Zukunft.

Eigentlich hätte er nur für zwei, drei Monate „aushelfen“ sollen. Doch im Juli, als wir unser Gespräch führen, ist es fast schon ein Jahr, dass Robert Horntrich als interimsmäßig eingesetzter Geschäftsführer die Geschicke der Bergbahnen St. Johann lenkt. Im Oktober oder November dieses Jahres wird er abgelöst, dann wird sein Nachfolger das Ruder übernehmen. Sein Name steht schon fest, er heißt Michael Gritsch. „Ich sorge noch für eine ordentliche Übergabe, und dann ist meine Aufgabe hier erledigt“, sagt Robert.
Mehr als 40 Jahre lang war der gebürtige Pitztaler bei der Bergbahn Sölden beschäftigt, zuletzt als Betriebs- und technischer Leiter. Nach St. Johann kam er in einer „Nacht-und-Nebel-Aktion“, wie er es ausdrückt: Ende August letzten Jahres hatte ihn ein führender Mitarbeiter von Skistar in Schweden angerufen und ihn gefragt, ob er Zeit und Lust habe, nach dem Abgang von Peter Grander als Geschäftsführer in St. Johann einzuspringen. Da Robert zu diesem Zeitpunkt bereits ein paar Monate in Pension war, war das Thema Zeit kein Problem. Und Lust war auch vorhanden: „Ich habe nicht lange überlegt, ein paar Monate im Unterland sind ja nicht ,schiach‘.“ Für das Abenteuer St. Johann unterbrach er seinen beruflichen Ruhestand, „danach gehe ich wieder in Pension!“
Er selbst kannte St. Johann nur vom Vorbeifahren, aus seiner Zeit beim Militär in Saalfelden. Die Eindrücke, die er und seine Frau (sie ist mit ihm ins Unterland übersiedelt) in den letzten Monaten gewannen, sind durchaus positiv: „Die Gegend hier ist wirklich schön, und die Leute passen auch.“
Der zukünftige Geschäftsführer Michael Gritsch ist für Robert kein Unbekannter, ganz im Gegenteil, er war sein Stellvertreter in Sölden. Gritsch verfügt – wie Robert – über jahrzehntelange Bergbahn-Erfahrung, nach St. Johann kommt er wohl auch auf Roberts Empfehlung. „Die Unterlandler sind nicht so fad, das kann man sich schon antun“, scherzt jener.
Dass Gritsch von der Bergbahn Sölden als Geschäftsführer zu den Bergbahnen ­St. Johann wechselt, sieht Robert als Karriereschritt für seinen ehemaligen Kollegen. Und als Gewinn für die örtliche Bahn. Worin bestehen die größten Herausforderungen für seinen Nachfolger?

Viele Chancen

„Die Bergbahnen St. Johann sind prinzipiell eine potente Gesellschaft mit vielen Möglichkeiten. Die Herausforderung wird sein, sie wie andere Unternehmen auch – angesichts der wirtschaftlich schwierigen Zeiten – straff und effizient zu führen, um in Zukunft bestehen zu können,“ so Robert. Als wichtige Pluspunkte sieht Robert die Umstände, dass das St. Johanner Skigebiet eine abgeschlossene „Insel“ ohne Abhängigkeiten und mit wenigen „Ziehwegen“ ist, dass das Pistenangebot für Einsteiger als auch für gute Skifahrer ansprechend ist sowie die Positionierung als Familienskigebiet. Von steigender Bedeutung sei aber auch der Sommer. „Der Berg bietet viele Möglichkeiten, man kann da noch mehr machen und es gibt bereits viele Gedanken dazu. Es müssen halt nachhaltige Projekte sein, die zur Zielgruppe passen.“

St. Johann müsse sich breitflächig aufstellen, so Robert, barrierefreie Zugänge schaffen und die Wandermöglichkeiten voll ausschöpfen. Der Klimawandel spiele dem Alpenraum generell in die Hände, so der „Oberlandler“, der eigentlich in Imst wohnt: Wenn die Temperaturen steigen, ziehe es die Menschen hinauf auf den Berg, wo es immer kühler ist. Auch die Probleme im Flugverkehr, die wahrscheinlich über Jahre anhalten werden, können für Regionen wie St. Johann einen Vorteil bedeuten. Wenn – ja, wenn – die Bergbahn es schafft, die technischen Anlagen auf den aktuellen Stand zu bringen. „Das wird die größte Challenge sein.“

Welche Lifte werden zukunftsfit gemacht?

1987 habe man sehr viel Geld in die Hand genommen und viel gebaut, so Robert. Die Anlagen sind jetzt 35 Jahre alt. Eine neue Verordnung sieht vor, dass nach vier Jahrzehnten ausnahmslos alle Anlagen generalsaniert werden müssen. Für die Bergbahnen St. Johann wohl ein Ding der Unmöglichkeit. „Es gibt Überlegungen, welche Anlagen man zuerst zukunftsfit macht, was dabei sinnvoll und gescheit ist. Auch rechtliche Grundlagen spielen eine Rolle.“ Die Bergbahnen haben sich als öffentliches Verkehrsmittel an entsprechende Auflagen zu halten, und es gebe auch eine Betriebspflicht. Man müsse beispielsweise die behördliche Genehmigung für eine permanente Einstellung von Betriebsanlagen einholen und prüfen, wie der Rückbau von Anlagen vonstatten gehen könne. Betroffen von einer möglichen Schließung sind die beiden Hochfeldlifte – weil sie einen vierten und damit am ehesten entbehrlichen Zugang zum Skigebiet bieten und einen sehr anspruchsvollen Hang, den man vielleicht nicht unbedingt haben müsse, so Robert. Die Penzingbahn und die Jodlalm, beide sanierungsbedürftig, würde er persönlich hingegen zukunftsfit machen.

Ein Privileg für St. Johann

Mit dem Eigentümer-Dreiergespann Toni Pletzer, Jürgen Marbach und Nico Schön­ecker von Autobus Oberbayern haben sich drei potente Geschäftsleute mit Affinität zu St. Johann gefunden, so der Oberländer. „Dass sie es nicht ganz einfach haben werden, war ihnen bewusst. Dass sie die Bergbahnen trotzdem übernommen haben, ist ein Privileg für St. Johann.“ Die Eigentümer haben Robert am Tag der Übernahme im Jänner dieses Jahres gefragt, ob er für ein paar weitere Monate bleiben würde. Er ist nicht nur geblieben, sondern hat auch bei seiner Nachbesetzung geholfen. Ist er damit quasi der „Retter aus dem Oberland“? Gegen diese Bezeichnung wehrt sich Robert ganz entschieden. „Es gibt nichts, was man retten müsste!“ Seiner Überzeugung nach verfügen die Bergbahnen St. Johann über Potential und eine intakte Mannschaft, „die werkelt und ein Recht darauf hat, dass das Umfeld in überschaubare Gewässer kommt und die Turbulenzen sich legen.“ Sein Job sei es gewesen, einen wirtschaftlich tragbaren Winterbetrieb möglich zu machen, und das sei gelungen.

Die Zeit in „Sainihåns“ bezeichnet Robert schon jetzt als „tolle Erfahrung“, und seine Frau sei inzwischen schon fast einheimisch, meint er schmunzelnd. Kann er sich vielleicht sogar vorstellen, nicht mehr ins Oberland zurückzukehren, sondern im Unterland zu bleiben? „Oh, ich sage jetzt weder nein noch ja, wer weiß, was die Zukunft bringt.“
Was er auf jeden Fall vermissen würde im Oberland, ist die landschaftliche Weite, die durchaus ein Erlebnis sei, so Robert. „Wenn man im Oberland auf einem Dreitausender steht, hat man eine gute Aussicht. Wenn man hier auf 1.600 Meter Seehöhe steht, schaut man noch weiter.“
Auf jeden Fall schaut Robert weiter(hin) darauf, dass bei den Bergbahnen St. Johann bis zu seiner Ablöse alles gut läuft. Den „Oberlandler“, der auf ihn folgt, stellen wir euch, liebe Leserinnen und Leser, demnächst vor …

Doris Martinz