Der Fieberbrunner Hagen Wieshofer verändert mit seiner neuen Software ganze Schulwelten.

Schau“, fordert mich Ernst Wieshofer auf, „das sind die Schichten der Erde, also ihre Schalen. Man kann sie Klick für Klick freilegen bis zum heißen Erdkern.“ Er tippt mit der Spitze seines Zeigefingers auf das Tablet vor ihm, lässt Erdschalen verschwinden, setzt die Erde auf ihrer Umlaufbahn in Bewegung und öffnet ein Quiz mit Fragen zu den Planeten. Das alles ist sein Thema: Der heute 82-Jährige unterrichtete an der HIB Saalfelden die Fächer Geografie und Sportkunde. Seine Schülerinnen und Schüler schlugen noch Bücher auf, um zu neuem Wissen zu gelangen. Doch die Zukunft sieht anders aus – sie ist digital.
Einer, der daran entscheidend mitarbeitet, ist Ernsts Sohn Hagen. Hagen absolvierte die Fachschule für Telekommunikation in Salzburg, gründete danach eine Firma im IT-Bereich, war sehr erfolgreich damit und verkaufte sie nach wenigen Jahren. Das verschaffte ihm Zeit für die Familie, mit der er in Salzburg lebt. Er fand nun Zeit, um seine Tochter beim Lernen zu unterstützen. Dabei stellte er fest, dass Schulen heute zwar ganz gut mit Hardware, also mit Tablets und PCs, ausgestattet sind – dass es aber an passender Software fehlt. Er begann, sich damit zu befassen und stellte schließlich ein hochkarätiges Team aus Experten aus ganz Österreich zusammen, um eine leistungsfähige Unterrichts-Software zu entwickeln. Die ersten Versuche präsentierte das Team Hagens Vater Ernst in seinem Fachgebiet Geografie. „Ich habe ja in meinem Alter nicht viel mit Computern zu tun, aber das hat mich gleich begeistert“, erzählt Ernst von seinen Erfahrungen mit der pädagogisch ausgerichteten Software. „Drück da mal drauf“, ermutigt er mich. Ich zögere, tue dann aber, wie er sagt. Auf meinen Fingertipp hin breiten sich auf dem Bildschirm Kreise aus, wie bei einem Stein, der ins Wasser fällt. Ich habe gerade ein Erdbeben ausgelöst. Sorry, es hat Japan erwischt. Ich habe nicht fest gedrückt, es ist zum Glück nur ein ganz leichtes.

Für Schüler:innen kostenlos

Die Software, erklärt Ernst, vermittelt das Wissen, das bislang über Schulbücher gelehrt wurde. Man hat aber nicht nur die Seiten digitalisiert, sondern die Inhalte komplett neu aufbereitet. Vieles ist interaktiv und spielerisch zu erforschen und erfahren. Wie sagte schon Albert Einstein? „Das Spiel ist die höchste Form der Forschung.“ Zum Fach Geografie für die Mittelschule beziehungsweise Unterstufe des Gymnasiums kamen inzwischen ein paar weitere Fächer hinzu.
Unter www.schubu.at stehen die Inhalte allen Neugierigen und Lernwilligen online kostenlos zu Verfügung. Möchten Schulen auch die entsprechenden digitalen und interaktiven Arbeitsblätter und Simulationen nützen, fällt dafür eine Gebühr an. Dass sich der finanzielle Einsatz lohnt, liegt für Ernst auf der Hand – nicht nur, weil sein Sohn die Software entwickelt hat. „Man weiß, dass der Mensch besser lernt, je mehr Sinne angesprochen werden, und wenn er selbst machen und ausprobieren kann. Dafür ist die Software perfekt.“

Nicht aufzuhalten

Angenehme Nebeneffekte des digitalen, Lehrplan konformen Schulbuchs: Es spart Papier und damit Ressourcen und macht die Schultasche leichter. Fast 20 Prozent der Mittelschulen und Unterstufen in Österreich verwenden es bereits. Auch in den skandinavischen Ländern sei man sehr interessiert. „Die Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten.“ Aber was ist mit dem Argument, dass gerade die kleineren Kinder nicht nur vor dem Tablet oder Laptop sitzen, sondern ihre Feinmotorik durch das Schreiben mit Bleistift und Füllfeder in „echten“ Schulheften trainieren sollen? „In der Volksschule wird man mit der Software nur bedingt arbeiten, sie wurde für den Unterricht ab dem fünften Schuljahr entwickelt“, erklärt Ernst. In der Klasse mache es dann keinen großen Unterschied mehr, ob die Schüler:innen vor einem Buch oder einem Screen sitzen würden. „Ich denke, entscheidend ist der richtige und bewusst Umgang damit.“
Ein weiterer Vorteil des digitalen Unterrichtsmaterials ist die Aktualität: Neue Geschehnisse können sofort eingearbeitet werden. Wenn Donald Trump wieder einmal beschließen sollte, einen Meeresgolf oder gar ein Land von heute auf morgen umzubenennen, kann das innerhalb kürzester Zeit berücksichtigt werden. Oder eben nicht. Auch Ideen und Anregungen der Lehrenden werden aufgegriffen. Dass die Software werbefrei ist, sei selbstverständlich, so Ernst. Hagen und seine Kollegen hätten für ihre Ideen schon zahlreiche Auszeichnungen bekommen, verrät er. „Möchtest du mal ein Schiff durch die Schleusen fahren lassen?“, fragt er mich. Klar will ich. Tipp, tipp, tipp, die Schleusen schließen sich, der Wasserspiegel sinkt ab, das digitale Gefährt damit. Mit einem weiteren Fingertipp öffnen sich die Schleusen wieder und das Schiff steuert seinem Zielhafen entgegen. Ahoi!
Doris Martinz

Hier geht’s zum digitalen Schulbuch:
www.schubu.org