Der neue Primar der Radiologie am BKH St. Johann über seine schönsten Momente als Arzt, über große Ziele und mehr.

An jenem bitterkalten Februartag, an dem wir uns treffen, ist sein Büro noch nicht fertig eingerichtet. Die Wände müssen gestrichen werden, es sollen auch neue Möbel kommen. „Wäre gut, wenn da jetzt was weitergehen würde“, meint er lächelnd. Weitergegangen ist dafür an anderer Stelle viel: Seit seinem Eintritt am 1. November 2022 und der Übernahme des Primariats am 1. Jänner dieses Jahres (sein Vorgänger Dr. Ehrenfried Schmaranzer wechselte in den Ruhestand) hat sich einiges getan in der Radiologie: Als Spezialist für interventionelle Radiologie war es dem 43-Jährigen wichtig, die bestehende Multifunktionsanlage im Haus zu nützen, schon in der zweiten Woche führte er die erste Angiographie (Sichtbarmachung von Gefäßen) durch. Was bedeutet interventionelle Radiologie? „In diesen Bereich fallen Eingriffe an Gefäßen oder Organen, die mit Hilfe radiologischer Bildsteuerung – also Durchleuchtung, Ultraschall und CT – und Bildüberwachung minimalinvasiv durchgeführt werden“, erklärt der geborene Imster. Das bekannteste Verfahren sei die Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit – der sogenannten „Schaufensterkrankheit“.
Der Bereich soll massiv ausgebaut werden: Noch im Frühjahr dieses Jahres werden die Bauarbeiten für das neue Zentrum für Angiographie am BKH St. Johann beginnen. Dafür wird über der Abteilung für innere Medizin ein drittes Stockwerk errichtet, die Arbeiten sollten bis April 2024 abgeschlossen sein. Auch neue Dialyseräume, die Geriatrie und Sonderklassezimmer werden dort untergebracht. Dr. Kranewitter freut sich darauf: „Es ist natürlich großartig, wenn man eine Erweiterung der Abteilung von Grund auf gestalten und ihr quasi den eigenen Stempel aufdrücken kann.“ Von Dingen wie diesen träumte Kranewitter schon als Kind – er wollte bereits Arzt werden, als er noch die Schulbank in Imst drückte. In der Unterstufe des Gymnasiums schnitt er eine tote Maus auf, die er gefunden hatte. „Ich war neugierig und wollte unbedingt wissen, wie die Maus von innen aussah“, erinnert sich der Radiologe. Später spielte er mit einem Freund Krankenhaus-Computerspiele und „operieren“, und als im Fernsehen die Serie „Emergency Room“ anlief, wollten die beiden keine Folge versäumen. Beide wurden Ärzte.

Faszination Radiologie

Kranewitter studierte in Innsbruck und entschied sich für die Fachausbildung in der Radiologie. Der Bereich war nicht seine erste Wahl: „Zuerst wollte ich eigentlich Kinderarzt werden, doch das empfand ich als zu belastend. Man kann auch kleinen Patient:innen nicht immer helfen.“
So wandte er sich der Radiologie zu. Das Diagnostische und Interdisziplinäre dieser Fachrichtung hatte den jungen Arzt schon immer interessiert. „Es ist ja nicht so, dass man sich als Radiologe nur Bilder ansieht und dann nichts mehr mit dem Fall zu tun hat. Ganz im Gegenteil: Der Radiologe setzt sich mit den Ärzten in anderen Fachdisziplinen zusammen, unterstützt mit Bildern, ist bei Besprechungen dabei.“ Während andere Fachärzte sich oft auf einen gewissen Bereich des Körpers spezialisierten, sei der Radiologe für den gesamten Körper zuständig, auch diese Tatsache mache den Bereich spannend.
Nach Abschluss der Radiologie-Fachausbildung vertiefte Dr. Kranewitter seine Kenntnisse im Bereich der Angiographie, durchlief die Zertifizierung und war später auch Ausbilder an der Uniklinik Innsbruck. In Krems absolvierte er die Management­ausbildung, die er mit dem Master für Krankenhausmanagement abschloss. St. Johann? Stand nie am Plan.

Top Team

Dr. Schmaranzer war es, der Dr. Kranewitter anrief und ihm die neue Abteilung, die genau in seinen Spezialbereich fällt, in Aussicht stellte. Mit ihr soll ein neues Gefäßzentrum entstehen, in dem Chirurgie und Radiologie eng zusammenarbeiten. „Ich war zuerst skeptisch“, gesteht Dr. Kranewitter, schon bald aber sei er von den Plänen begeistert gewesen. Das war er auch davon, wie schnell und motiviert das Team im Haus mit ihm die ersten Angiographien anging. Die Zusammenarbeit mit den Gefäßchirurgen und Chirurginnen bei sogenannten Hybrideingriffen funktioniere schon jetzt sehr gut, so der Primar. Der Gefäßchirurg/die -chirurgin entfernt dabei bei einer Operation zum Beispiel Kalk aus der Leiste, Dr. Kranewitter setzt den Beckenstent – der Patient erspart sich damit einen weiteren Eingriff. „Ich hätte mir nicht gedacht, dass das so schnell so gut läuft, das ist hier ja noch nie gemacht worden“, zollt er dem Team Respekt. Seine ehemaligen Kollegen in Innsbruck könnten kaum glauben, was sich in punkto Radiologie in St. Johann inzwischen tut, wieviel bereits in Bewegung gebracht wurde, so Kranewitter.

Keine „One-Man-Show“

Als interventioneller Radiologe erlebt er seine schönsten Momente, wenn er Leben retten kann: Wenn zum Beispiel ein Patient/eine Patientin mit einer lebensbedrohenden Darmblutung ins Krankenhaus kommt und die Blutung mit einem kleinen Stich in die Leiste gestoppt werden kann – ohne große Operation. „Das gibt einem schon ein gutes Gefühl“, so Kranewitter. Aber auch als diagnostischer Radiologe gibt es schöne Erfolgsmomente: Wenn zum Beispiel keiner weiß, warum der Patient ein Problem hat und er mit zusätzlicher Bildgebung eine Diagnose stellen kann – die Basis für mögliche Therapien.
Mit dem entstehenden Gefäßzentrum und der neuen Angiographieanlage, die nächstes Jahr in Betrieb gehen wird, wird das BKH St. Johann die Versorgung der Bereiche im Osten des Landes abdecken. Noch sind es Standardeingriffe, die vorgenommen werden, ab April 2024 werden es auch größere sein. Bis dahin will Dr. Kranewitter ein Team zusammengestellt haben. „Es soll ja keine ,One-Man-Show’ bleiben und auch ohne mich gehen.“
Zum Entspannen sieht er sich nach wie vor gerne Arztserien wie „Dr. House“ oder „The Good Doctor“ an. Inzwischen ist er längst selbst einer jener Mediziner im weißen Kittel, die er als Kind auf dem Bildschirm so bewunderte.

Doris Martinz