Christoph Holz über die Gründe dafür, dass Trump zum Präsidenten gewählt wurde, von toxischer Solidarität und mehr.
Bei einem Cappuccino und einem Pignoli-Beugel (für Christoph) plaudere ich mit St. Johanns wohl bekanntesten IT-Nerd, Keynote-Speaker, Podcaster und neuerdings auch Influencer über Gott und die Welt. Und vor allem über Donald Trump, der – wenn nicht Gott, doch wer weiß das schon genau – zumindest die Welt derzeit mit seinen Worten und Taten in Aufruhr versetzt.
Christoph erzählt, er habe letztes Jahr an der Westküste der USA mehr als zwanzig Fahrten mit dem Taxi-Dienst „Uber“ unternommen und die Fahrerinnen und Fahrer zu ihrer Lebenssituation und den bevorstehenden Wahlen befragt. „Daher war ich vom Ausgang der Wahlen nicht wirklich überrascht“, meint er. Vielen Menschen geht es wirtschaftlich extrem schlecht, das wurde bei den Fahrten durch Amerikas zweigrößte Stadt offensichtlich. Die Wohnkosten zum Beispiel sind enorm hoch, die Inflation ebenso. Ein aus Japan stammender Fahrer meinte außerdem, der Krieg in der Ukraine müsse aufhören – oder doch zumindest die Amerikanische Beteiligung daran. Ein afroamerikanischer Uber-Fahrer beschwerte sich darüber, dass in den Staaten das Trinkgeld besteuert wird. Trump versprach, das zu ändern – wie vieles andere auch. Daran glaubt der Taxilenker, und Millionen weiterer Menschen mit Migrationshintergrund tun es auch. Ausgerechnet Trump, der massiv gegen Immigranten vorgeht, soll sich für ihre Belange einsetzen? Das klingt paradox, Christophs Erklärung leuchtet jedoch ein: „Menschen mit Migrationshintergrund und gültiger Aufenthaltsgenehmigung wählen viel zu oft nach der ,Shut-Door-Politik’: Nach ihnen sollen keine weiteren Menschen ins Land kommen, denn die Immigration bedroht ihre hart erarbeiteten Arbeitsplätze. Auch diese Thematik hat Trump angesprochen.“
Wer einmal lügt, …
Christoph will Donald Trump mit seinen Worten nicht in Schutz nehmen oder gar entschuldigen. Er will helfen, ihn zu verstehen – was schwer genug ist. „Trump verwendet eine menschenverachtende Sprache, die wir sonst nur aus dem Faschismus kennen, er ist kein guter Mensch!“, stellt er klar.
Trump lügt sehr viel, diese Tatsache hat sich hinlänglich herumgesprochen. Aber wenn er einmal die Wahrheit sage, passe es uns auch nicht, sagt Christoph – das sei das paradoxe. Trump sei beispielsweise der Meinung, dass sich die USA viel weniger in die Agenden anderer Staaten einmischen solle und der Krieg der Ukraine mit Russland nicht zu gewinnen sei. „Wer ist anderer Meinung?“ Christophs Ansicht war es nicht Trump, der die Wahl gewonnen hat – die Demokraten haben sie verloren. „Die sind an der eigenen toxischen Solidarität gescheitert.“ Toxische Solidarität? Christoph holt etwas aus, um den Begriff zu erklären: Umfragen besagen, dass man mit den Republikanern die Themen Sicherheit und Wirtschaft verbindet. Die Demokraten hingegen werde Themen Abtreibung und Transsexualität zugeschrieben. „Das ist beides wichtig. Aber die Menschen fragen sich zu Recht, ob ihre täglichen Sorgen wie Wohnungsnot oder Inflation ernstgenommen werden. Die Demokraten wurden als abgehoben wahrgenommen.“
Trump hingegen spreche eine einfache Sprache. „Der labert irgendwas daher, und die Leute haben das Gefühl, er versteht sie.“ Als einen der wichtigsten Punkte, warum Kamala Harris die Wahl verlor, sieht Christoph die Aussage, wonach sie dafür eintrat, dass männliche verurteilte Sexualstraftäter sich aussuchen können, ob sie in ein Frauengefängnis überstellt werden wollen oder nicht. Das klingt auf den ersten Blick seltsam. „Da wählst du doch den Trump als geringeres Übel, oder?“ Die Angelegenheit, so Christoph, erkläre sich aber, wenn man sich näher mit dem Thema befasse. „Im Prinzip geht es dabei um sinnvolle Rechte transsexueller Menschen auf eine angemessene medizinische Betreuung durch den Staat. Die Demokraten waren offenbar nicht bereit, Maßnahmen gegen einen möglichen Missbrauch dieser Regelungen durch Straftäter zu ergreifen.“ Christoph unterstreicht: „Transsexuelle Menschen leben mit großen Herausforderungen und haben unseren Respekt und unsere Unterstützung verdient. Aber ein Missbrauch der Unterstützung schaden allen Betroffenen.“
Toxische Solidarität
Toxisch werde Solidarität dann, so der 58-jährige St. Johanner, wenn wir die Bedürfnisse der einen Gruppe gegen jene der anderen ausspielen. Dabei würde die Initiative meist nicht von den Betroffenen ausgehen: „Ich glaube, dass die meisten transsexuellen Menschen einfach nur ihr Leben leben und nicht im Rampenlicht stehen wollen“, so Christophs Einschätzung. Selbsternannte „Gutmenschen“ würden jedoch ihnen und anderen Minderheiten – zum Beispiel Juden oder Palästinensern – ihre Solidarität aufzwingen und sie – bildlich gesprochen – auf die Bühne zerren. „Und die Gutmenschen sind dann enttäuscht, wenn die Betroffenen sagen, dass sie in Ruhe gelassen werden wollen“.
Christoph ortet einen inneren Kulturkampf in Amerika – keine Revolution, sondern eine Konterrevolution. „Trump hat die politische Landschaft komplett umgebaut und eigentlich eine neue Partei gegründet.“ Die ursprünglichen Republikaner sind da kaum mehr dabei – die Superreichen, das Militär und die Strenggläubigen. Dafür versammelt Trump Elon Musk und Co. hinter sich, die früher demokratisch gewählt haben. „Elon Musk sagt, er sei bislang immer ein, Demokrat gewesen, doch die Demokraten hätten ihn nach links verlassen, sie seien linksextrem geworden.“ Es schmerze ihn zu sagen, so Christoph, dass George W. Busch wohl der letzte moderate Präsident der Vereinigten Staaten gewesen sei, der sich politisch in der Mitte bewegt habe. Es schmerze ihn deshalb, weil er Barack Obama eigentlich sehr schätze. Aber auch Obama habe den Weg der Mitte verlassen.
Gut gemeinter Aktivismus
Christoph macht einen weiteren Grund für die aktuelle Situation in Amerika aus: „Du kannst in den USA politischen Aktivismus studieren. Und was machst du damit? Du wirst Aktivistin oder Aktivist. Du suchst nach Unterdrückten und findest sie in den Randgruppen. Aber damit erweist du ihnen einen Bärendienst: Denn Opfermentalität ist das Gegenteil von Selbstwirksamkeit.“ Für ein gesundes, selbstwirksames Leben, so Christoph, heiße es Abschied nehmen von der eigenen Opferrolle und das Leben selbst in die Hand nehmen. Das verwehre den Betroffenen jedoch der Aktivismus der Gutmeinenden. Wir Österreicher:innen müssten das eigentlich verstehen, meint er, und zieht eine Parallele zu den ungarischen Flüchtlingen, die in den 50er Jahren nach Österreich kamen: „Die haben wir unterstützt. Aber als wir sie beim Cappuccino Trinken im Kaffeehaus „ertappt“ haben, war es aus mit der Unterstützung. Wir wollen helfen und uns dadurch gut fühlen. Aber wir wollen diese Menschen nicht auf unserer Augenhöhe haben.“
Aber zurück zu Trump: „Entweder er ist ein Trottel, oder er hat einen Plan – das wissen wir noch nicht“, sagt Christoph. Der amerikanische Präsident fahre eine Realpolitik und gebe sich als „Mad Man“, als unberechenbar. Vielleicht könne er gar nicht anders. Sein Vorgehen zeige jedoch Wirkung, wie das Beispiel Panamakanal zeige. Christoph führt aus: „China besitzt in 20 Ländern der Welt 40 Häfen und Anlagen, – darunter auch einige am Panamakanal – und kann die Firmen, die diese Häfen besitzen, jederzeit verstaatlichen. Dann kontrolliert China die gesamte Warenwirtschaft und könnte einzelne Länder boykottieren. Damit wären auch die Amerikaner erpressbar, obwohl sie den Kanal erbaut haben. Es geht nicht, dass an beiden Seiten des Kanals chinesische Firmen die Kontrolle übernehmen, das ist ein sicherheitspolitisches No-Go aus Sicht der USA. Trump hat das abgestellt.“
Das klingt dann doch verständlich, finde ich. Und worum geht es eigentlich beim viel zitierten Außenhandelsdefizit? Warum erhebt auch Europa Zölle? Mehr zu diesen und weiteren Themen erfahren wir von Christoph Holz in der nächsten Ausgabe.
Doris Martinz