FOLGE 9: GERICHTSVERHANDLUNG

In der letzten Folge haben wir davon berichtet, wie Dieter Weihs und „Baumi“ (Walter Baumgartner) auf ihrer Indienreise mit einem alten VW-Käfer nach einem schweren Unfall im Krankenhaus behandelt werden. Ihre Verletzungen sind zum Glück nur oberflächlich, aber der VW schaut nach einem Totalschaden aus.

Zwei Perser tauchen auf: Sie wollen ihnen das Wrack unbedingt abkaufen. Dieter und Baumi überlegen fieberhaft, was sie tun sollen. Bevor sie den Wagen, oder was von ihm übrig geblieben ist, verkaufen, wollen sie ihn noch einmal selbst sehen. Nach ihrer Entlassung nehmen sie deshalb ein Taxi und fahren in Richtung Gabigil. Nach zirka einer Stunde erreichen sie die Unfallstelle. Das zertrümmerte Gespann der Bauern befindet sich noch auf der Straße, überall sind Kisten und Tomaten verstreut, das Pferd liegt tot im Straßengraben. Nur der VW Käfer ist nirgends zu sehen. Sie fahren mit dem Taxi weiter und finden den Wagen schließlich einige Kilometer entfernt vor einem Lehmgebäude neben der Straße. Offensichtlich hat ein Traktor das Wrack abgeschleppt. Bei dem Lehmbau handelt es sich um einen kleinen Militärposten, er ist mit einem Soldaten besetzt. Während sich Baumi aufgrund seiner Gehirnerschütterung gezwungen sieht, sich in einem Schlafsaal in ein Stockbett zu legen, beginnt Dieter damit, das Wrack zu reinigen. Er begutachtet die Schäden: Achse rechts verschoben. Rad steckt im Radkasten. Dach eingedrückt, rechte Tür total zerschmettert. Aber der Motor läuft. „Da habe ich eine Chance gewittert, den Wagen vielleicht doch wieder flott zu bekommen“, erzählt Dieter. Er versucht damals, das Dach mit dem Wagenheber anzuheben. Es funktioniert!
Der Soldat telefoniert währenddessen immer wieder über ein Feldtelefon, das noch mit einer Kurbel betrieben wird – offensichtlich im Zusammenhang mit dem Unfall. Gegen Mittag bittet ihn Dieter, ihm den Hörer zu reichen und hat zu seinem großen Glück den Gouverneur des Districts am Apparat. Er spricht ausgezeichnet Englisch, halleluja! Endlich kann Dieter jemandem erklären, was passiert ist.

Unerwartete Hilfe

Am Nachmittag verbindet Dieter die rechte Vorderachse und die Betonsäule der Einfahrt mit einer Kette und versucht im Rückwärtsgang, die Achse nach vorne zu biegen. Die Säule bricht, aber die Achse bewegt sich kaum. Als er gerade dabei ist, das Reserverad zu montieren, hält ein schwarzer Mercedes neben ihm. Niemand anderer als der Gouverneur selbst steigt aus dem Wagen, elegant gekleidet in einem schwarzen Anzug mit weißem Hemd. Dieters Verblüffung kennt keine Grenzen, als er sich die Jacke abstreift und beim Radwechsel hilft. „Das war ein sehr sympathischer Mann!“ Er verspricht den Tirolern, ihnen in ihrer schwierigen Lage zu helfen. Schon am nächsten Tag soll die Gerichtsverhandlung stattfinden. Die Aussichten sind jedoch schlecht. Bis zur Verhandlung ist der Wagen beschlagnahmt, und die beiden sind in Haft – wieder einmal. „Wir haben in der Militärstation trotz allem gut geschlafen!“
Am Vormittag werden Dieter und Baumi zur Verhandlung abgeholt. Als Gerichtsgebäude dient ein einstöckiges Lehmhaus in einem kleinen Ort in der Nähe. Eine Außentreppe führt in den Verhandlungsraum, in dem sich ein paar Stühle und ein Schreibtisch befinden. Anwesend sind außer den beiden Tirolern ein Richter, der Gouverneur, ein Bürodiener und die beiden geschädigten Bauern. Mit ihren Verbänden sehen Dieter und Baumi erbärmlich aus, aber wird ihnen das helfen? Der Gouverneur rät ihnen, nur still sitzen zu bleiben, er will sie vertreten. Die beiden verstehen kein Wort, bekommen aber mit, dass sich der hohe Staatsbeamte während der Verhandlung sehr für sie einsetzt. Er agiert so souverän, dass die beiden sich keine großen Gedanken machen darüber, was alles passieren könnte. Es steht ein Bußgeld in der Höhe von umgerechnet 5.000,- Schilling im Raum, doch der Gouverneur verweist darauf, dass es in Persien seit wenigen Monaten ein Gesetz gibt, wonach auch Pferdegespanne auf der Straße beleuchtet sein müssen. Schließlich werden die Reisenden freigesprochen, die Bauern unterschreiben das Protokoll, das der Bürodiener auf einer alten Schreibmaschine verfasst hat, mittels Daumenabdruck. „Sie haben uns leid getan“, erzählt Dieter. „Sie haben ja ihr Pferd, ihren Wagen und die Ernte verloren, einer von ihnen hatte einen Verband am Fuß.“ Die jungen Männer schenken ihnen ein Taschenmesser und zwei Dosen Fleisch. Wertvollere Dinge wie den Fotoapparat können sie nicht hergeben, da alles – wie auch das Auto – im Pass eingetragen ist und wieder ausgeführt werden muss.
Der Gouverneur ist auf jeden Fall der Held der Stunde, er hat Dieter und Baumi gerettet. Er erteilt ihnen auch noch die schriftliche Erlaubnis, im Schritttempo mit dem Wrack bis zum nächsten Mechaniker zu fahren. Sie verabschieden sich in großer Dankbarkeit von ihm.

Und er bewegt sich doch (noch)

Immerhin rollt der Wagen noch, und die Hoffnung stirbt zuletzt. Mit der vagen Zuversicht, mit dem „Blechhaufen“ doch noch irgendwie nach Hause zu kommen, fahren die beiden in Richtung Beschahr – einer geht voran, der andere lenkt das Wrack. Der Einschlag des Wagens ist so gering, dass sie auch in leichten Kurven reversieren müssen. Nach ein paar Kilometern stoßen sie an der Straße auf eine Schmiede-Werkstatt, der Meister löst die völlig verbogene, abstehende Tür aus dem Rahmen. Ohne Tür, Frontscheibe und Kotflügel geht es sehr, sehr langsam nach Babol. Dort klopft ein Mechaniker die Spurstange gerade und schneidet ein Loch in den Radkasten, damit das Rad mehr „Spiel“ hat. Jetzt ist der Einschlag etwas besser. Zwischen ihnen und dem nächsten Etappenziel Teheran liegt aber noch das Elbursgebirge mit einigen Pässen, die über 3.000 Meter hoch sind. Zum Glück geht es Baumi inzwischen besser, er erholt sich von seiner Gehirnerschütterung.
Am nächsten Tag bewundern die Reisenden während der Fahrt die grandiose Landschaft. Die Passstraße, zum großen Teil eine staubige Schotterpiste, ist aber eine echte Herausforderung: Die Sonnenbrillen müssen Scheibe und Kotflügel ersetzen, der Beifahrer sitzt schutzlos ohne Tür. „Cabrio-Feeling kam nicht gerade auf“, sagt Dieter lachend. Probleme bereitet der erste Tunnel: Naturfels, schmale Fahrbahn, Kurven. Ohne Scheinwerfer ist er für die Abenteurer nur ein großes schwarzes Loch, in das sie sich nicht wagen. Baumi geht schließlich mit der Taschenlampe voran, Dieter folgt ihm mit dem Auto. Bald jedoch verliert sich das bisschen Licht in der Dunkelheit, die beiden müssen den Rückzug antreten. Lange warten sie auf ein Auto. Als endlich eines kommt, halten sie es an und bitten den Fahrer, langsam vorauszufahren. Sie sehen nur die Rücklichter, aber das reicht. Bei den weiteren Tunnels machen sie es ebenso.
Der VW ist zwar nur noch ein Blechhaufen, doch der Motor läuft tadellos, und so genießen die beiden den traumhaft schönen Blick auf den zirka 5.600 Meter hohen Vulkan Demavend. Unbehelligt von der Polizei rollen sie mit ihrem Wrack in die Hauptstadt Teheran.

Werden sie mit dem demolierten Wagen weiterfahren können, oder warten weitere Hindernisse auf die Reisenden? Ihr erfahrt es in unserer nächsten Ausgabe, bleibt dran!

Doris Martinz