Folge 6: Eifersüchtige Pakistani und einzigartige Kulturdenkmäler

In der letzten Ausgabe haben wir davon berichtet, wie Dieter und Baumi (Walter Baumgartner) während ihrer Indienreise in Kaschmir auf der Flucht vor dem Gefängnis auf einen Buben treffen, der ihnen deutet, ihm zu folgen. Wie sich herausstellt, ist der Bub der Sohn des Polizeichefs. „Wieder einmal hatten wir unwahrscheinlich großes Glück. Man hat uns zum Essen eingeladen, wir konnten unsere heikle Situa­tion erklären und stießen auf Verständnis.“ Der Polizeichef vermittelt die beiden an die Flughafenbesatzung, die sie freundlich aufnimmt. Trotzdem sind die Tiroler im Prinzip Gefangene und dürfen das Flughafengelände nicht verlassen – sie sind ja schon einmal geflüchtet. Erst nach einigen Tagen darf Dieter alleine hinaus, um die wunderschöne, ursprüngliche Landschaft Kaschmirs zu erkunden. Als sie am nächsten Tag beide gemeinsam die Gegend erkunden durften, kommt die Nachricht, dass das Flugzeug für den Rückflug nach Rawalpindi schon gestartet ist und bald eintreffen wird. In den Tagen des Wartens haben die zum Nichtstun Verurteilten die Gelegenheit, mit dem Flughafenpersonal, das kaum etwas zu tun hat, interessante Gespräche zu führen. Die Einheimischen erzählen von ihren Familien: Manche wurden traditionell erzogen und auch verheiratet, andere moderner. Letztere sind ganz heiß auf Fotos deutscher Mädchen, damit können Dieter und Baumi aber nicht dienen.

Verfolgungsjagd

Nach dem Ausflug nach Kaschmir und zurück in Pakistan, fahren die Abenteurer in Richtung Taxila. Dieter filmt unterwegs Frauen beim Reispflanzen. Jene sind davon nicht begeistert und werfen mit Lehm nach ihm. Kurz darauf filmt er aus dem Auto eine Frau im weißen Tschador* und macht damit eine Gruppe von Männern auf der Ladefläche eines LKWs auf sich aufmerksam. Sie drohen ihm mit erhobenen Fäusten, der Fahrer nimmt die Verfolgung des VW Käfer auf. Baumi tritt aufs Gaspedal und startet eine rasante Flucht. Erst in Taxila können sie ihre Verfolger abschütteln. „Wenn es um ihre Frauen geht, verstehen die ansonsten so (gast-)freundlichen Pakistani keinen Spaß.“
Etwas erschöpft besichtigen­ die Abenteurer bei großer Hitze Kloster-Ausgrabungen, Buddha-Statuen, die Stupas und das Museum mit seinen interessanten Exponaten. Als Alexander der Große 326 v. Chr. Taxila, das Zentrum der alten Indus-Kultur und des Buddhismus, erreichte, war er nicht nur der große Stratege, sondern auch ein Bote der griechischen Kultur. Im Gebiet um Taxila erreichte die „Vermählung“ griechischer und indischer Einflüsse ihren Höhepunkt.

Straßensperre

Weiter geht es an Peschawar vorbei in Richtung Afghanistan. Auf der Fahrt zum Khyber-Pass übersieht Dieter eine Straßensperre: In der Dämmerung ist das quer gespannte Seil kaum auszumachen und schrammt über den Wagen. Sogleich ist ihr VW von dutzenden bewaffneten Gestalten umringt. „Die sind davon ausgegangen, dass wir die Sperre durchbrechen wollten“, erzählt Dieter. Noch heute wird ihm mulmig bei der Erinnerung daran, wie die bewaffneten bärtigen Typen wild zu diskutieren und gestikulieren begannen, während er und Baumi vor Angst zitternd im Wagen saßen.
Nach einiger Zeit erscheint damals ein gut gekleideter Mann und eröffnet ihnen in fließendem Englisch, dass man für ihre Sicherheit nicht garantieren könne und sie zurück nach Peschawar müssen. Dort finden sie spätabends glücklicherweise eine sogenannte „Jugendherberge“: einen Raum ohne Licht mit vielen Feldbetten, aber wenigstens mit einer funktionierenden Dusche. Herrlich!

Wehrhaftes Volk

Am nächsten Tag ist die Straße frei, die beiden jungen Männer erklimmen mit ihrem alten VW Käfer auf einer von den Deutschen gut ausgebauten, aber abenteuerlich kurvenreichen Asphaltstraße den Khyber-Pass. Alle Männer, denen sie begegnen, sind bewaffnet, offensichtlich mit selbstgebauten Kalaschnikows. „Sogar die Hirten am Feld waren bis auf die Zähne bewaffnet“, erinnert sich Dieter und schüttelt den Kopf. Es sind wilde Gestalten, die Patronengurte tragen sie gekreuzt über der Schulter. Dieter und Baumi fahren an befestigten Häusern und kleinen Fabriken vorbei, die mit Schießscharten und Stahltüren ausgestattet sind. Das Fotografieren ist in dieser Gegend strengstens verboten. An der Grenzstation zu Afghanistan am Khyber-Pass sind Panzersperren errichtet. Überraschenderweise sind die Grenzformalitäten diesmal schnell erledigt, weiter geht es Richtung Kabul. Als sie in der Hauptstadt einen Erkundungsgang unternehmen, stoßen sie auf ein kleines „Reisebüro“, in dessen Auslage Bilder der beeindruckenden Buddha-Statuen von Bamiyan zu sehen sind. Da wollen die beiden unbedingt hin! Im Reisebüro treffen sie auf einen Engländer, der dasselbe Ziel hat und sie einlädt, in seinem Hotelzimmer zu übernachten. Vorher mieten sie aber noch einen russischen „Wolga“ – eine legendäre russische Automarke, die sich als sehr geländegängig erweist. Mit dem Käfer wäre es schwierig bis unmöglich, die Furten auf dem Weg zu den Statuen zu überwinden.
Am nächsten Tag brechen sie frühmorgens in Richtung Norden auf. In einem Amt, das wie ein Kuhstall aussieht, können sie sich den nötigen Polizeistempel als Erlaubnis für die Weiterfahrt holen. Die Strecke über den Shibar-Pass ist abenteuerlich. Die Furten, die es zu überwinden gilt, sind wirklich anspruchsvoll, das Wasser ist teilweise knietief. Aber den einheimischen Fahrer kann das nicht erschrecken.

Unvergesslicher Geburtstag

Schließlich erreichen sie sicher und trocken das Tal von Bamiyan. Es liegt in etwa 2.500 Meter Seehöhe, ist sehr fruchtbar und wird im Osten von einer etwa 150 Meter hohen Felswand begrenzt. Im 6. Jahrhundert war Bamiyan ein Zentrum des Buddhismus, in den zahlreichen Höhlen lebten tausende Mönche. Zu dieser Zeit wurden in die Felsen die größten Buddhastatuen der Welt gemeißelt. „Wir sind wie Zwerge vor der 56 Meter hohen Statue des großen Buddha gestanden, voller Demut – auch wenn die Mohammedaner leider das Gesicht des Buddhas abgesägt hatten. Heute ist nur ein Haufen Schutt von diesen einzigartigen Kulturdenkmälern übrig, die barbarischen Taliban haben sie zerstört“, sagt Dieter bekümmert. Über steile Stufen in der Felswand können Dieter und Baumi damals den Kopf der Statue besteigen und einen überwältigend schönen Ausblick genießen.
Die Griechen nannten die Gegend Baktrien, heute heißt sie Hazajarat. Da Bamiyan an der Seidenstraße lag, war der Ort Station für viele Händler und Reisende. Dschingis Khan zog mit seinen Horden durch, verwüstete als Rache für die Ermordung seines Neffen den gesamten Landstrich, ließ viele Menschen töten und sogar Bäume entwurzeln.
Nach einem wunderbaren Tag fallen die Burschen abends im Rasthaus todmüde, aber voller intensiver Eindrücke, in die Betten. Erst beim Einschlafen wird Dieter bewusst, dass er an diesem Tag, dem 8. August, Geburtstag hat. Er wird ihm für immer in Erinnerung bleiben.

In der nächsten Ausgabe berichten wir von einzigartigen Seen und einer schicksalhaften Begegnung. Bleibt dran!

Doris Martinz

* Der Tschador, früher auch die Tschadra, ist ein großes, meist dunkles Tuch in Form eines umsäumten Halbkreises, das vor allem von Frauen im Iran als Umhang um Kopf und Körper gewunden wird und lediglich das Gesicht oder Partien des Gesichtes frei lässt.