Andreas Bombek und Peter Wimmer bewahren Rehkitze mithilfe einer Drohne vor dem Mähtod.
An manchen Tagen im Juni läutet bei Andreas und Peter schon vor dem Morgengrauen der Wecker. Sie treffen sich draußen am Rande der Wiese, das Gras ist nass vom Tau. Es ist kühl, fast frösteln sie. Der Tagesanbruch zeichnet sich als silberner Streifen am Horizont ab; nur das leise Surren der aufsteigenden Drohne unterbricht die Stille des frühen Morgens. Es geht los.
Der Drohnenpilot und der Jäger suchen mit weiteren Helfern nach Rehkitzen im hohen Gras, das in wenigen Stunden gemäht werden soll. Die mächtigen, mehrreihigen Mähwerke der modernen Maschinen bedeuten den sicheren Tod für die scheuen Wildtiere, die bei Gefahr nicht flüchten, sondern sich instinktiv noch dichter an den Boden drücken. Der räuberische Fuchs entdeckt sie auf diese Weise nicht, der Mensch leider auch nicht. „Selbst wenn man das Feld systematisch abschreitet, hat man kaum eine Chance, ein Kitz zu finden, so gut verbirgt es sich zwischen den Halmen und unter größeren Blättern“, weiß Jäger Peter Wimmer. Zwischen 15 und 25 Kitze wurden früher jedes Frühjahr in Oberndorf Opfer der Maschinen. Dank der Drohneneinsätze konnte die Zahl halbiert werden. Tote Tiere gibt es dort, wo nicht mithilfe moderner Technik nach ihnen gesucht wird.
Immer mehr Bauern nehmen mittlerweile den für sie kostenlosen Drohnen-Suchdienst in Anspruch, bevor sie ihr Feld mähen. „Wenn sich ein Kitz darin befindet, finden wir es zu 90 Prozent“, weiß Drohnenpilot Andreas Bombek. Der 34-jährige Oberndorfer hat die Drohne, die mit einer Wärmebildkamera ausgestattet ist, nicht nur für die Suche nach Rehkitzen angeschafft, sondern auch für den Einsatz in seinem Betrieb. Er und sein Team von „Montage Technik Bombek Schroll GmbH“ in Oberndorf sind Experten für maßgeschneiderte Lösun-
gen in Sachen: Photovoltaikanlagen, Metallbauarbeiten, Geländer und Absturzsicherungen.
„Auszeit“ in einer Kiste
Finden Andreas, Peter und ihre Helfer ein Kitz, wird es aus dem Feld entnommen, und man befestigt eine Erkennungsmarke an seinem Ohr. Jene hat jedes Jahr eine andere Farbe und gibt damit Auskunft über das Alter des Tieres. Später, bei der Jagd, ist das von Vorteil. Das Rehlein wird dann in einer Kiste ein paar Stunden lang verwahrt, bis die Mahd abgeschlossen ist. Dann wird es wieder ausgesetzt. „Meistens kommt schnell das Muttertier, um es abzuholen“, erzählt Peter Wimmer. Der 73-Jährige geht seit 51 Jahren zur Jagd und ist aktuell „Hegemeister“ in Going, Oberndorf und Reith. Damit ist er das Verbindungsglied zwischen Behörde und Jäger; zu seinen Aufgaben gehört es unter anderem, Abschusspläne zu genehmigen.
Dass es endlich eine effektive Möglichkeit gibt, Rehkitze vor dem Mähtod zu retten, macht ihn froh. Dass er dafür innerhalb weniger Wochen oft sehr früh aufstehen muss, nimmt er gerne in Kauf – wie Andreas Bombek auch. Die frühe Stunde hat ihren Grund: Sobald die Sonne den Boden erwärmt, ist das Kitz mit der Kamera nicht mehr gut auszumachen. Die Suche konzentriert sich also auf den Morgen. Geflogen wird in einer Höhe zwischen 70 und 80 Meter. „Je höher das Gras, desto tiefer muss ich gehen“, berichtet Andreas.
„Wichtig wäre, dass sich die Bauern und Bäuerinnen rechtzeitig bei uns melden“, sagt Peter. „Ideal wäre spätestens am Vorabend, dann sind wir in der Früh da.“ Auch die Landwirt:innen seien an einer Lösung interessiert, weiß er: „Niemand mäht absichtlich ein Kitz, das ist ein schrecklicher Anblick. Außerdem kann das Leichengift eines getöteten Tieres im Heu oder in der Silage den Tod eines Rindes bedeuten.“ Ganz abgesehen davon, dass man dabei auch mit dem Tierschutzgesetz in Konflikt gerate, so der Hegemeister.
Gefunden, markiert, registriert
Greift Peter Wimmer Rehkitze auf, meldet er den Fund für die statistische Erfassung an das Land Tirol. Auch die Anzahl der überflogenen bzw. abgesuchten Hektar wird registriert. Vom Land beziehungsweise Jägerverband bekommt Andreas dann eine Aufwandsentschädigung für seinen Einsatz. Ein lohnendes „Geschäft“ ist die Rehkitz-Rettung nicht. „Für mich ist es wie Fischen. Ich sehe es als Hobby mit positivem Nutzen“, meint er. Anders als beim Fischen, landet das Kitz hoffentlich niemals in der Pfanne? „Na, na“, versichert er mit einem Lächeln. Die Einsätze seien für ihn immer wieder ein Erlebnis. Spannend sei es, gemeinsam mit den Jägern quasi auf die Pirsch zu gehen, er lerne viel von ihnen, so Andreas. „Außerdem haben wir es oft lustig.“
Der Drohnenpilot berichtet von einem Einsatz, bei dem ein Helfer einen Hechtsprung im Gras machen musste, um das flüchtende Kitz zu erwischen. „Ich habe über den Bildschirm zugeschaut, das war wirklich komisch“, erzählt er lachend.
Alle helfen zusammen
Die Einsätze konzentrieren sich jedes Jahr auf maximal 14 Tage, an denen in der Region gemäht wird. Mehrere Piloten wechseln sich ab, damit jeder einzelne angeforderte Einsatz abgearbeitet werden kann. Noch nie musste ein Bauer oder eine Bäuerin wegen der Rehkitz-Rettung die Mahd verschieben. „Wir tun alles, damit es sich ausgeht“, so Andreas. 84 Kitze hat er in der Region in seiner ersten Saison 2024 vor dem Tod bewahrt. Er und Peter haben in den Feldern aber auch Anderes, nicht Erfreuliches, gefunden: Den Kadaver eines Rehs beispielsweise, das offensichtlich von einem Hund gerissen wurde.
Apropos Hund: Andreas spürte mit seinem Gerät einmal einen treuen Vierbeiner auf, der sich auf der Alm erschreckt hatte und entlaufen war. „Das funktioniert ganz gut, weil meine Drohne auch mit einer optischen Kamera ausgestattet ist.“ Einmal fand er auch entlaufene Kälber im Wald. Er hilft gerne, wenn es ihm möglich ist.
Die Rehkitz-Rettung aber ist immer etwas ganz Besonderes für ihn. Unvergesslich schöne Sonnenaufgänge habe er dabei schon erlebt, erzählt Andreas. „Weißt du noch, am Hauzenberg?“, fragt er seinen Jagdpartner. Jener nickt. Schön sei das gewesen. „Um die Zeit stehe ich sonst ja nicht auf“, meint Andreas. „Für die Rehkitze schon. Das ist einfach
bärig.“ Doris Martinz
Rehkitz-Rettung für Landwirt:innen kostenlos landesweite Abdeckung
Info und Kontakt:
https://rehkitzrettung.at