Matthias Danzl, Werksleiter Verkauf bei Egger, über die aktuelle Situation und seinen Umgang damit.

Zuerst die Pandemie und jetzt der Krieg in der Ukraine, der uns alle in direkter oder indirekter Weise betrifft – wir befinden uns gefühlt in einem bereits ewig andauernden Krisenmodus. Kommen wir da jemals wieder heraus? Oder kann man die Krise vielleicht sogar als Chance begreifen? Für Matthias Danzl ist diese Chance real und greifbar.

In den letzten Jahrzehnten seien so viele Selbstverständlichkeiten entstanden, sagt er. Unser Lebensstandard ist gestiegen, die Wirtschaft hat sich – abgesehen von wenigen Einbrüchen – stets positiv entwickelt. Das beruhige ihn auch als Führungskraft, und bestätigt die Strategie des Unternehmens. In den beiden letzten Jahren habe sich jedoch viel verändert: „Führungskräfte müssen sich ganz stark dem einzelnen Mitarbeiter/der einzelnen Mitarbeiterin widmen. Denn viele hadern mit der Gesamtsitua­tion und fragen sich, wie sich die Inflation entwickeln wird und ob sie sich das Heizen in Zukunft noch leisten werden können. Es ist eine gewisse Verunsicherung spürbar“, schildert Danzl seine Erfahrungen. Die Aufgabe des Arbeitgebers sei es, in dieser Situation Sicherheit zu geben. „Das beste Schutzschild ist Kommunikation!“ Es gelte, Zuversicht und positive Stimmung zu vermitteln. Ihm selbst falle das nicht schwer. „Es ist ja nach wie vor so, dass wir in einem Land leben, in dem die Energieversorgung im Prinzip gesichert ist. Klar, es wird teurer, aber es wird sich auch wieder einpendeln.“ Es trete in diesen Tagen eine Realität offen zutage, die wir alle nur zu gerne verdrängt haben: Dass Ressourcen nicht unbegrenzt verfügbar sind. „Wir haben viele Jahre über Umweltschutz gesprochen. Jetzt müssen wir weg von den fossilen Brennstoffen, weil wir nicht selber über die notwendigen Ressourcen verfügen. Wir haben einen Schubser bekommen, wir sollten das Beste daraus machen.“ Danzl zieht die Natur für einen Vergleich heran: „Wenn es immer milde Winter gibt, dann ist auch die Natur verwöhnt. Kommt einmal ein strenger Winter, dann knackt es da und dort. Man sieht, wo die Schwachpunkte sind. Das ist jetzt passiert. Wir erkennen in der Gesellschaft und in der Wirtschaft, wo die Schwachpunkte sind, wo wir uns besser aufstellen müssen.“ Resilienz, also Widerstandskraft, sei gefragt, so Danzl. „Wir müssen ein Grundvertrauen dafür entwickeln, dass der nächste Winter nicht mehr so streng wird. Und uns besser rüsten!“

Positiv bleiben

Im März 2020, als Corona unsere Welt auf den Kopf stellte, kam man bei Egger eines Nachts zusammen, um zu beratschlagen. Würden die Mitarbeiter am nächsten Tag zur Arbeit kommen, durften sie überhaupt kommen? „Wir wissen jetzt, dass wir auch schwierige Situationen meistern können, das hat uns Corona gelehrt“, so Danzl. Er ist sich sicher: „Die Krise macht stärker. Sie bringt auch große Chancen in allen Richtungen.“ In Österreich, in einem im Prinzip sicheren Umfeld, sei es leichter, so zu sprechen. „Wir haben gute Voraussetzungen und werden die Situa­tion bewältigen. Das macht uns am Ende stärker und widerstandsfähiger. Das ist meine Sichtweise.“ Danzl sagt, er fordere nicht immer ein volles Glas. „Ok, das Glas ist jetzt so voll, wie es eben gerade ist, und ich muss meinen Beitrag dazu leisten, dass es stets gut gefüllt ist.“ Eine positive Sichtweise sei unabdingbar. „Da muss jeder vor seiner Haustür kehren. Egal, ob Mitarbeiter oder Führungskraft. Ohne die positive Grundeinstellung geht es nicht.“

Der Jugend scheint diese positive Einstellung gerade zu fehlen. Welchen Grund sieht Matthias Danzl dafür? „Der Jugend geht es derzeit vielleicht deshalb nicht so gut, weil wir ihren Bedürfnissen nicht genug Aufmerksamkeit schenken konnten, da ist viel verlorengegangen.“ Danzl nennt als Beispiel die Möglichkeiten, gemeinsam zu feiern, auszugehen, soziale Kontakte zu pflegen. „Wir alle haben die Verpflichtung, aufeinander zu schauen. Es geht nicht nur um Wertschöpfung in der Industrie, im Gewerbe oder im Tourismus, sondern um uns selbst und darum, dass es uns als Menschen gut geht. Wenn wir zum Beispiel einen Gast in unserer tollen Tourismusregion gut beherbergen wollen, müssen wir uns auch um uns selbst kümmern und selber positiv gestimmt sein. Nur dann kann es funktionieren.“ Das um sich selbst und um die Gesellschaft Kümmern sei in den guten Jahren vor Corona vielleicht etwas zu kurz gekommen. Es liege eine ganz große Chance darin, die Aufmerksamkeit auf Dinge zu lenken, die früher selbstverständlich waren, so Danzl. Auch in der Familie. „Wenn jeder seinen Weg geht und keiner auf den anderen aufpasst, wird es nicht gehen.“ Die Krise mache Defizite sichtbar, auch im Business. Danzl stellt im geschäftlichen Alltag nun aber Ansätze für eine positive Veränderung fest: „Die Zusammenarbeit mit guten Partnern schätzt man heute noch mehr als zuvor. Weil unsere Kunden heute wissen, dass es nicht selbstverständlich ist, dass ein Lieferant seine Lieferzusagen einhalten kann. Und weil wir wissen, dass es beispielsweise nicht selbstverständlich ist, dass unsere Logistikpartner ausreichend LKWs mit Fahrern stellen können.“ Die gegenseitige Wertschätzung sei merkbar gestiegen, so Danzl. „Wenn es zu gut läuft, vergisst man auf vieles.“ Egger baut derzeit ein neues Portiergebäude mit einem Sanitär- und Aufenthaltsbereich für Fernkraftfahrer. Sie sollen sich bei Egger willkommen fühlen.

Russische Werke versorgen lokalen Markt

Auch dem aktuellen Mangel an Arbeitskräften kann Danzl Positives abgewinnen: „Der Arbeitskräftemangel ist Zeichen einer gut funktionierenden Wirtschaft. Die Beschäftigung ist hoch, die Wertigkeit des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin wieder gestiegen. Darüber sollten wir im Prinzip froh sein.“ In Zukunft werden qualifizierte und motivierte Mitarbeiter noch mehr zum zentralen Erfolgsfaktor für Unternehmen. Eine Thematik, derer sich Egger schon seit Langem bewusst ist. „Die mehr als 10.000 Mitarbeiter der Egger Gruppe machen unseren Erfolg erst möglich. Die Talente unserer Mitarbeiter zu erkennen, sie zu entwickeln und im Wettbewerb mit anderen Unternehmen an uns zu binden, ist ein wichtiger Bestandteil unserer Strategie – eine spannende Aufgabe.“
Spannend ist auch die Frage, welche langfristigen Auswirkungen die aktuellen Geschehnisse in der Ukraine nach sich ziehen werden. Egger hat zwei Werke in Russland. „Die Versorgung ist zwar herausfordernd, aber die Werke können produzieren. Als Arbeitgeber mit familiären Werten stehen wir zu unseren dortigen 1.200 Mitarbeitern, die vor allem den russischen Markt versorgen.“ Noch sei nicht abzuschätzen, wie sich die Lage weiter entwickeln wird. „Am Ende wird es eine große Herausforderung sein. Das gilt für den Weltmarkt insgesamt.“ Die Unsicherheit sei nie zuvor so groß gewesen wie momentan, man steuere definitiv auf eine Verschiebung der Märkte und der Wirtschaftskraft zu, erklärt Danzl. Es sei absehbar, dass man die Differenzen mit Russland so schnell nicht beilegen wird können. Der gesamte Osten inklusive Russland ist aber ein wichtiger Markt, Europa ist abhängig von einem Gleichgewicht zwischen Amerika und Asien. Eine Schlüsselrolle kommt dabei der Energieversorgung zu. Wie ist Egger hier aufgestellt? „Wir sind extrem begünstigt, weil wir dank der Biomasse Holz, unserem Rohstoff, zum Großteil Selbstversorger sind. Unser Werk in St. Johann hat bald die Möglichkeit, die Eigenversorgung auf 97 Prozent anzuheben, das macht uns quasi vollkommen unabhängig.“
Überschüssige Wärme, die im Produktionsprozess entsteht, wird in das Fernwärmenetz der Ortswärme St. Johann eingespeist. Es soll in Zukunft sogar noch mehr saubere Energie in den Ort fließen. „Mit der Fernwärme leistet Egger einen starken Beitrag für die Gesellschaft, das wird jetzt offensichtlich. Wir arbeiten an Konzepten, in Zukunft noch mehr Energie zu liefern.“

Auch in Krisenzeiten investiert Egger: aktuell in ein zweites Hochregallager, in dem beschichtete Platten untergebracht werden. Es ist 36 Meter hoch, hat eine Länge von 120 Metern und kann bis zu 20.000 Kubikmeter Platten fassen. Das entspricht ungefähr der Menge von 700 beladenen LKWs. Ende des Jahres soll es in Betrieb gehen. Ganz unabhängig davon, wie sich bis dahin die Corona-Situation oder die Krise in der Ukrai­ne entwickeln. Ganz egal, ob das Glas bis dahin nur bodenbedeckt ist oder halb voll. Bei Egger glaubt man an die Zukunft. An eine vielleicht sogar bessere Zukunft. Es liegt an uns allen, sie zu gestalten.

Doris Martinz