Direktorin Barbara Lackner über das Zusammenspiel von Kindern, Lehrern und Schule

Lehrerin war immer schon mein Traumberuf,“ erzählt Barbara Lackner, Direktorin der Volksschule St. Johann in Tirol. Wir treffen uns in der Direktion im ersten Stock. Die Gänge sind mit kunterbunten Kinderzeichnungen und Basteleien verziert, im Hintergrund ist es mucksmäuschenstill – es ist Unterricht. Barbara erinnert sich: „Vielleicht war meine Patentante ausschlaggebend für meinen Berufswunsch, auf jeden Fall habe ich diesen Schritt nie mehr angezweifelt.“ Außer einmal, so erzählt sie, als sie das Heimweh in der Zeit ihrer Ausbildung an der Pädagogischen Akademie in Innsbruck zu übermannen drohte. „Dagegen kann man nicht viel tun, es ist einfach da und rational nicht erklärbar und veränderbar,“ so Barbara. „Da kam mir der Gedanke, die Ausbildung gegen eine Anstellung bei der Post, die sich damals ganz in der Nähe meines Elternhauses befand, zu tauschen.“ Diese Idee präsentierte sie dann auch kurzerhand ihren Eltern bei einem Mittagessen. „Mein Vater hat sich das angehört und dann nur gesagt, ich könne das gerne machen – aber erst nach Abschluss der Pädak!“

Schule von allen Blickwinkeln

Barbaras Lehrerinn sein war stets spannend, es gab immer neue Herausforderungen, denen sie sich gerne gestellt hat. Nach ihrem Abschluss 1985 war sie zunächst vier Jahre als Vorschullehrerin tätig, begleitete später als Klassenlehrerin SchülerInnen vom sechsten bis zum zehnten Lebensjahr. Für alternative Leistungsbeurteilungen war sie von Anfang an sehr offen, hat verschiedene Modelle ausprobiert, von denen sie der Meinung war, sie könnten den Bedürfnissen der Kinder entgegenkommen. So gibt es an ihrer Schule beispielsweise einen Lernzielkatalog, wo neben den Lernzielen der verschiedenen Fächer wichtige Kompetenzen wie Sozial- und Arbeitsverhalten gewichtet werden. „Hierbei werden keine Noten vergeben, sondern wir sehen uns an, wie sich ein Kind verhält, wie es an eine Arbeit herangeht und vieles mehr.“
Als sie 1997 gefragt worden ist, ob sie als Erzieherin im Erzbischöflichen Privatgymnasium Borromäum in Salzburg anfangen möchte, fiel ihr die Entscheidung alles andere als leicht. „Ich habe lange mit mir gekämpft, wollte eigentlich nicht weg von der Schule. Irgendetwas hat mich dann aber doch so fasziniert, dass ich das Angebot angenommen habe.“ Barbara selbst hat keine Kinder, so waren ihre Aufgaben als Erzieherin von den jungen Buben im Internat des Borromäums im Alter zwischen zehn und zwölf Jahren eine besonders wertvolle Zeit. „Ich habe Schule von der anderen Seite erlebt, bin auch manchmal vor den Aufgaben der Jungs gesessen und hab nicht so gleich verstanden, was der Lehrer oder die Lehrerin da jetzt genau von uns will. Wenn ich dann zu Sprechstunden ging und hörte, dass die ein oder andere Hausübung nicht gemacht worden ist, konnte ich es kaum fassen – immerhin war ich mir sicher, nachgesehen zu haben,“ sagt sie schmunzelnd.

Raus aus der Komfortzone

Nach drei Jahren zog es sie wieder zurück in die Schule, wo sie mit Herzblut sechzehn Jahre lang in Integrationsklassen unterrichtete. Schon damals hat sie gleichzeitig Administrationsstunden gehabt und war stellvertretende Direktorin an der Volksschule. „Als die damalige Direktorin mit dem Gedanken gespielt hat, in Pension zu gehen, hat sie mich gefragt, ob ich mir denn vorstellen könnte, ihre Nachfolgerin zu werden,“ erinnert sich Barbara. Mit dieser Frage begann für sie ein langer Nachdenkprozess – denn sie unterrichtete sehr gerne und fühlte sich in der Klasse wohl. „Ein guter Bekannter, dem ich meine Situation erzählt habe, hat dann gemeint – Barbara, so kenne ich dich doch gar nicht, du liebst doch die Herausforderung!“ Auch der Spruch einer Freundin, nämlich, dass eine Entscheidung immer für etwas und gleichzeitig gegen etwas ist, habe ihr sehr geholfen. Letztendlich stellte sie sich der Veränderung und ist seit nun sechs Jahren Direktorin der Volksschule in St. Johann in Tirol.

Kinder stehen im Mittelpunkt

„In meinem jetzigen Arbeitsumfeld habe ich im Gegensatz zu damals natürlich in erster Linie mit Erwachsenen zu tun“, so Barbara. „Aber für mich ist immer das Kind im Fokus. Dass sie sich gut entwickeln können, Selbständigkeit und Eigenverantwortung lernen.“ Sie erlebe oft in der Gesellschaft, dass keine Verantwortung für das „Tun“ oder auch das „Nicht Tun“ übernommen werde. Dies zeige sich beispielsweise, wenn die Schuld stets bei den anderen gesucht wird – und dies beginnt schon sehr früh. „Zum Beispiel wenn ein Kind etwas vergisst und es damit rechtfertigt, dass die Mama oder der Papa nicht ordentlich alles eingepackt hat.“ Entgegensteuern kann man mit positiver Fehlerkultur. Barbara erklärt: „Das bedeutet, dass es okay ist, wenn etwas mal schiefläuft und Fehler passieren dürfen – aber man sollte dazu stehen und es in Ordnung bringen.“ Nicht so einfach in einer Zeit, in der Fehler alles andere als „in“ sind und die Gesellschaft die Perfektion anstrebt. Barbaras Herzensangelegenheit ist es, dass die Kinder lernen, etwas aus einem Sinn heraus zu tun und ihr Leben gestalten.

Harmonisches Zusammenspiel

In der Zusammenarbeit mit den Lehrerinnen und Lehrern ist es Barbara besonders wichtig, dass jeder seine Fähigkeiten und Potenziale entfalten und einbringen kann. Haben die Lehrerinnen Freude am Unterricht, wirkt sich das auch positiv auf die SchülerInnen aus. Barbara weiß: „Ohne Schulleitung funktio­niert es nicht, ohne Lehrer nicht und ohne Kinder und ihre Eltern auch nicht. Dieses Zusammenspiel erfordert viel Fingerspitzengefühl – und das ist es, was mir so viel Freude bereitet.“ Die Balance zwischen Leiten, Lassen und sich zurückzunehmen – was für eine Challenge bei rund 383 Kindern und 60 Angestellten, die derzeit in der St. Johanner Volksschule sind. Dabei strebt Barbara nicht das „Funktionieren“ an, sondern, dass sich die Schule stetig zum Wohle der Kinder weiterentwickelt – ein Prozess. „Wir haben viele Projekte, die wir umsetzen möchten, auch wenn uns Corona dahingehend ein wenig ausgebremst hat,“ so Barbara. Sie erinnert sich an die Entstehung des neuen Schulhofs,bei der alle involviert waren. „Es war mir wichtig alle mit ins Boot zu holen, die das Projekt betrifft. Angefangen bei den Schüler:innen, die Entwürfe gemalt haben wie das Baumhaus aussehen soll über den Schulwart, der ja später für die Instandhaltung des Hofes zuständig ist.“
Barbara sieht ihre Aufgabe darin, auf Herausforderungen zu reagieren und nicht zu bewerten. „Es gibt schon Tage wo ich mir denke – puh, heute ist aber alles danebengegangen. Doch bevor ich in das Auto steige und heimfahre, hole ich mir drei Dinge die positiv waren vor Augen – und die sind mir bisher immer noch eingefallen.“

Viktoria Defrancq-Klabischnig