Die St. Johanner Krippenbaumeister leben und lieben ihr traditionelles Handwerk.

Wir müssen das Erbe des Krippenbaus erhalten“. Mit diesen Worten startet der St. Johanner Michael Döttlinger unseren Besuch. „In unserer Tradition wurden früher schon Krippen gefertigt. Sie waren in der Advents- und Weihnachtszeit so etwas wie der Mittelpunkt des Familienlebens. Damals wurde die gute Stube geräumt und die handwerklich erstellten Ställe und Figuren zentral aufgebaut“, erklärt er. „Heute hat sich dieses etwas gewandelt – das TV dominiert eher“. Michael Döttlinger weiß viel, oder besser fast alles, zum Thema. Von der Gründung der „Krippenkultur“ durch Franz von Assisi bis zur Geschichte der heimatlichen oder auch orientalischen Vorbilder erklärt er uns alles, was wir wissen wollen. Und natürlich kennt er alle Tabellen zu den Größenverhältnissen zwischen Gebäude und Figuren. Er weiß auch, wie die Anordnung der einzelnen Teile zueinander zu erfolgen hat, um die „kleinen Kunstwerke“ ins rechte Licht zu rücken. Während unseres Termins zeigt er viele Beispiele der sehr unterschiedlichen Krippenarten, von den eher bekannten Ställen bis hin zu Krippenbildern in Glasrahmen oder Krippen, die in geöffnete Tonkrüge eingesetzt sind. Er selber schränkt seine Tätigkeiten dabei auf den Bau der Ställe in den verschiedensten Variationen ein.

Er organisiert für den Figurenbau und die Bemalung aber sofort einen weiteren Termin für uns. „Da gibt es nur einen, den Markt Siegfried, der das bei uns noch wirklich beherrscht“. Dazu aber später mehr in dieser Reportage.

Der Verein, in dem auch die St. Johanner Krippenbaumeister organisiert sind.

Michael ist Obmann des bekannten Krippenvereins Fieberbrunn, der 1994 gegründet wurde und heute etwa 130 Mitglieder zählt. „Innerhalb des Vereins bieten wir Kurse an, in denen die Teilnehmer ihre eigene Krippe unter unserer Anleitung und Hilfestellung bauen können“. In den normalen Jahren – auch hier hat Corona für zwei Jahre alle Aktivitäten gestoppt – werden ab Mitte August in jeweils 3 Kursen über 14 Abende à 3 Stunden mit etwa 8 Teilnehmern und jeweils 3 Lehrern pro Kurs Krippen gebaut. Der Teilnehmer hat zwischen 155,– und 185,– Euro insgesamt für alle Tage zu tragen. Darin ist dann das Material enthalten – und am Ende kann er das fertige Produkt mit nach Hause nehmen. Zum Start wird aus einem Fotoalbum mit bereits erstellten Versionen ein Stil als Vorlage für die Planung und den Bau ausgesucht. Nach der Festlegung von Form- und Größenwunsch anhand des sogenannten Krippenmeter geht es dann in den folgenden gut 40 Stunden um die Fertigung der persönlichen Exemplare. Bis zum 1. Advent sind die Arbeiten abgeschlossen und es können Figuren zugekauft werden, wenn die Krippe im Heim zum Fest aufgestellt werden soll. Die Kurse veranstaltet der Verein auch für Kinder ab etwa 10 Jahren.

Der Nachwuchs der Krippenbauer bereitet auf Sicht Probleme

Während die Auslastung der Kurse im Verein eher unproblematisch ist, sehen Michael Döttlinger und der nun zu uns gestoßene weitere Krippenbauer Harald Wechselberger (Kassier des Vereins) die Zukunft bei den „Baumeistern“ eher skeptisch. „Das Wahren der handwerklichen Tradition ist heutzutage nicht mehr ganz einfach. Wir erfahren durch die Marktgemeinde Unterstützung, ansonsten müssen wir uns aber selber helfen“, erläutert er. „Das geht nur über ehrenamtliche Tätigkeiten und neben den Kurseinnahmen über den alljährlichen Weihnachtsmarkt, der im Festsaal stattfindet. Hier können wir dann auch z.B. die selbstgemachten Dekorationen verkaufen. Wir veranstalten während der Zeit auch eine Verlosung. Sponsoren haben wir nicht. Aber solange wir klarkommen jammern wir nicht“. Und zusätzlich darf man ruhig noch erwähnen, dass die Krippenbauer für eine Reihe von Spenden an Schulen, Kindergärten oder Altersheimen durchaus bekannt sind.

Dabei ist das Werkeln mit den in der Regel sehr einfachen Holzmaterialien (das Wort Abfallholz fällt) doch eine sehr schöne Beschäftigung. Und so gehen Michael und Kollege Harald dann auch mit uns in die Werkstatt. Hier finden wir im Prinzip eine kleine Tischlerei vor und es wird gesägt, gefeilt, gebohrt und geschliffen. Die beiden Experten zeigen dann Zwischenstände vom Baubeginn bis zu den fertigen Produkten.

Vielleicht dreht sich der Trend ja noch. Im November 2021 wurde der „Krippenbrauch in Österreich“ als breit gefasstes Brauchtum in das nationale Verzeichnis der UNESCO des Immateriellen Kultur­erbes in Österreich aufgenommen. In jedem Fall wird damit auch den Personen, die diesen Brauch heute praktizieren ja ein gewisser Respekt gezollt.

Die Königsdisziplin – Figurenbau und Bemalung

Am nächsten Morgen treffen wir mit Siegfried Markt den Herren über die Figuren. Er ist nicht der erwartet „Holzschnitzer“ sondern zeigt direkt seine besonderen Fähigkeiten an verschiedenen Beispielen. Siegfried hat zusammen mit einem anderen Familienmitglied einen großen Fundus von Nagelschmied-Figurenformen geerbt. Die sogenannten Models (in der ältesten Form aus Ton oder Lehm gefertigt) sind ansonsten Halbreliefe, die zum Gießen der alten Vorlagen verwendet werden. Die Figuren werden dabei aus den geschnitzten oder gegossenen Formen gepresst. Ursprünglich waren das die Arbeiten, welche der eher arme Vorfahre, der Bildhauer aus Nassereith, als Zuverdienst für die Familie angefertigt hatte. Siegfried weiß aus den Familienüberlieferungen zu berichten, dass die Bildhauerfamilie in den alten Zeiten etwa 60 km mit dem Leiterwagen zurückgelegt hatte, um die handbemalten Figuren und Dekorgegenstände in Innsbruck anbieten zu können. Heute kostet ein Satz mit etwa 30 auf diese Art gegossenen Figuren um die 70,– Euro. Vom Guss bis zur vollständigen Fertigstellung inklusive der traditionellen Bemalung werden sehr viele Stunden benötigt. Die Preise für eine komplette „Stalleinrichtung“ mit Figuren betragen bis zu 450,– Euro, je nach Größe zwischen 2,5 und 10 cm.
Siegfried Markt kommt ebenfalls aus St. Johann und ist wie seine Mitstreiter auch Krippenbaumeister. Er stellt Ställe her und ist genauso als Lehrer in Fieberbrunn tätig. „Die Bemalung von Figuren und Hintergründen mache ich hier aber fast alleine. Ich habe das Handwerk der Bemalung auch nicht explizit gelernt, aber im Laufe der Zeit sammelt man eben sehr viel Erfahrungen – üben, üben“. Er zeigt uns dann, wie er Figuren aus den verschiedenen Materialien gießt, später verputzt und dann die Bemalung aufträgt. Wir dürfen ihm dabei über die Schulter sehen. Kaum zu glauben, wie er mit kleinsten Pinseln Hautfarben, Kostüme und auch Augen und sogar Augenpupillen aufmalt. „Eine ruhige Hand muss man schon haben. Aber ich habe das so oft gemacht, dass ich die Farben für alle Modelle schon kenne, bevor ich anfange“. Er verwendet dabei einfache Dispersionsfarbe und mischt die einzelnen Farbtöne selber an. So steht dann eine Palette von kleinen farb-gefüllten Marmeladentöpfen auf dem Tisch vor ihm. Er nutzt auch noch Pigmente und Eitempera-Präparate. „Wichtig sind auch die Raumtemperatur und die Luftfeuchtigkeit. Diese haben großen Einfluss auf die Trocknungszeiten aber auch auf die fertige Oberflächenbrillanz“. Selbst wenn die Pressung der Figuren eine gewisse „Wiedererkennung“ der Figurentypen bedingen, sind die fertigen Produkte alleine durch die Handbemalung doch sehr individuell und unterscheiden sich ganz eindeutig von maschinell erstellten Produkten. Siegfried arbeitet auch heute als Rentner gerne noch auf Anfrage.