Horst Eder hat in der Vereins-Chronik des St. Johanner alpenvereins gestöbert und dabei allerhand Interessantes gefunden.

 

Wie das „Pflaumei“  entstand

Kurz zur Namensfindung: das Große Griesnerkar, eingebettet zwischen dem Mitterkaiser und dem Predigtstuhl-Goin­ger-Halten-Massiv bekam den
Kosenamen „Pflaumei“ von der Fritz-Pflaum-Hütte, der höchstgelegenen Hütte im Kaiser auf 1.865 m. Der posthume Namensgeber war Fritz Pflaum aus München, der im Jahr 1908 mit 37 Jahren am Mönch im Berner Oberland tödlich abstürzte. Seine Eltern spendeten der Alpenvereins-Sektion Bayerland den namhaften Betrag von 8.000 Mark, mit dem die Hütte erbaut werden konnte, sie wurde 1912 eingeweiht. In der NS-Zeit musste der Hüttenname geändert werden, sie hieß dann „Griesnerkarhütte“; der Grund lag darin, dass Fritz Pflaum jüdischer Abstammung war.
Nach dem Krieg bekam das Pflaumei im Frühjahr vermehrt Besuch von Schifahrern. Zur Griesneralm führte eine Schotterstraße, die Fahrgelegenheiten waren bescheiden, das meistbenützte Fahrzeug war das Fahrrad, nur wenige hatten ein Motorrad und fast niemand besaß ein Auto. Es waren also Leute aus der Nähe, aus dem St. Johanner Raum, aus der Kössener Gegend und aus der bayrischen Nachbarschaft, die im Pflaumei dem Frühjahrsschilauf frönten.

Das erste Pflaumeirennen

Im Jahr 1954 machte der Alpenvereins-Obmann Hias Noichl seinem Ausschuss den Vorschlag zu einer Vereins-Schimeisterschaft im Pflaumei. Die Zustimmung war groß, und die Vorbereitungsarbeiten mussten rasch angegangen werden. Startnummern waren zu organisieren, die Torstangen wurden selbst angefertigt und rot oder blau lackiert, eine Zeitnehmung musste gefunden werden, der Transport der Teilnehmer – vor allem der Jugend – war zu organisieren. Und am 16. Mai 1954 war es dann soweit: das erste Pflaumeirennen fand statt. 43 Teilnehmer, Kurssetzer war Hias Noichl, Starter Ernst Salvenmoser, Zeitnehmer Jakob Wallner, Sektionsmeister wurden Margit Schneider und Pepi Wieser, die Sieger in den ersten drei Rängen bekamen bescheidene Ehrenpreise, die übrigen Teilnehmer eine Flasche Bier als Trostpreis, die Jugend ein Kracherl. Das waren hart erkämpfte Belohnungen, wenn man bedenkt, dass der Aufstieg zur Hütte 800 Höhenmeter, also zwei Stunden Gehzeit beträgt, die Torstagen mussten bergauf und bergab von den Teilnehmern selbst transportiert werden, außerdem bat die Sektion Bayerland um die Mitnahme von Brennholz vom Depot im Buchwald – jeder wollte vor dem Start ja einen heißen Tee und eine warme Stube haben. Nicht alle Teilnehmer hatten zu dieser Zeit Steigfelle, zum Anstieg gab es aber immer ein gut angelegtes „G’stapf“. Der Start war direkt bei der Hütte, das Ziel auf halber Strecke, also ca. 400 m tiefer, beim Zielstein. Für die Damen und die Jugend gab es eine verkürzte Strecke, also vom „Damenstart“ weg. Das Rennen war ein voller Erfolg, sogar im Sportteil der Tiroler Tageszeitung erschien ein ausführlicher Bericht.

Urkunden, Sachpreise und Feldtelefon

1955, zur zweiten Auflage des Rennens, wagte der Verein den Versuch, für die Teilnehmer Sachpreise zu sammeln und siehe da: die Geschäftswelt von St. Johann und Umgebung zeigte sich sehr zugänglich und spendete tolle Dinge: eine Weinflasche, einen Sack Mehl, eine Kiste Bier, Wollstutzen, Bücher, ein Engel-Gemälde, einen alter Luster, eine Liftkarte, Schnapsstamperl und so manches andere Brauchbare waren dann auf dem Gabentisch bei der Preisverteilung, die abwechselnd bei der Fischbachalm und der Griesneralm abgehalten wurde. Die Platzierten wurden in der Reihung ihrer Zeit aufgerufen und konnten sich den Preis selbst aussuchen.
Und im Jahr 1956 gab es auch eine Neuerung: erstmals erhielt jeder Rennfahrer eine Urkunde mit einem Bergfoto und für die Sektionsmeister gab es eine geschnitzte Trophäe, die nach dreimaligem Sieg in den Besitz des Gewinners überging. Bei den Herren gelang dies in den kommenden Jahren Fritz Schneider, Franz Schweiberl und Gidi Achhorner, bei den Damen war Waltraud Karl schon in der Jugend, dann in der Folge als Waltraud Schenk die „Seriensiegerin“. Das neugegründete Bundesheer legte erstmals 1956 eine Telefonleitung vom Zielstein zur Pflaumhütte, der Starter gab dem Zeitnehmer im Ziel mit „Achtung – fertig – los!“ den Start des Rennläufers bekannt. Später waren dann Funkgeräte die Verbindung zwischen Start und Ziel.
1958 ging sich das Rennen erst am 1. Juni aus, der Obmann Hias Noichl war als Bergführer bis dahin unterwegs in den Westalpen. Und im Pflaumei war der Schnee schon fast weg, also fand das Rennen am Regalphang statt, kürzer, aber recht rasant. Ein Jahr später übernahm Wast Stabhuber die Aufgabe mit der Telefonleitung; allerdings hatte er verschlafen und war verspätet, außerdem war diesmal das Kabel zu kurz, der Start musste also kurzfristig ein Stück nach unten verlegt werden.

Mautdebatte und Platznot

Im Jahr 1961 übernahm Sepp Friedl den Transport der AV-Jugend mit dem Klein-Lkw der Firma Kracher zur Griesneralm; Schi und Kinder auf der Ladefläche, es war sehr lustig – bis hin zum neu errichteten Mauthäusl, da gab es eine längere Debatte, weil der Sepp nicht einsah, dass er mit seinem Fahrzeug den Bustarif von 30 Schilling zahlen sollte. Irgendwie kam aber zwischen ihm und dem Mürnseer Beni eine Einigung zustande, die Jugend war pünktlich am Start.
Ein Jahr später war am 20. Mai ein Regentag, anstatt der angemeldeten 77 Mitglieder kamen immerhin 61 zum Start, es wurde eine verkürzte Strecke gefahren. Bei der Preisverteilung gab’s ein kleines Problem, die Griesneralm war am Nachmittag – auch auf Grund des Regenwetters – „bummvoll“ mit Gästen, keine Stube frei, den Saal gab es damals noch nicht. Also wich man in den Hausgang im ersten Stock aus, es war eng, die Stimmung aber bestens, und für einen reichlich gedeckten Tisch mit Ehren- und Sachpreisen war auch noch Platz!
In Richard Pranzls Tourenbuch ist auch vermerkt, dass der Hochfilzer Hansjörg nach dem Rennen 1963 mit einem Bund Torstangen spektakulär in die Felsen fuhr, er hatte viel Glück, es ging mit Abschürfungen und Prellungen ab.

Militärische Unterstützung und HG-Wildsau

1969 machte unser AV-Mitglied Oberleutnant Horst Schneider mit seiner Kompanie zwei Tage vor dem Rennen einen militärischen Schitag im Pflaumei, die Rekruten wurden zum Pistenpräparieren eingeteilt, sie „trettelten“ also folgsam entlang der vermuteten Riesentorlaufstrecke. Der Erfolg war eher bescheiden, von präparierter Piste war am Sonntag nicht mehr viel zu sehen, aber der gute Wille zählt ja auch. Bei diesem Rennen wurde zum ersten Mal dem Schnellsten der Hochtouristengruppe Ostkaiser der Titel „HG-Wildsau“ verliehen, es war dies Hans Lichtmann­egger, der „Sasei“; für ihn gab’s eine eigene Urkunde und einen urig geschnitzten Kopf als Trophäe!
Starke Beteiligung beim Pflaumeirennen gab es anfangs der 1970er-Jahre, 1971 z.B. 101 Meldungen und immerhin 93 Teilnehmer und leider auch einen Unfall: mit Startnummer 100 erlitt Robert Forer einen Beinbruch. In den Folgejahren betrug die Teilnehmerzahl immer knapp um die 100, die Begeisterung war in allen Altersklassen vorhanden.

Ende und Neuanfang

Der Ansturm der Schifahrer im Pflaumei stieg in den 1970er-Jahren enorm, der Zustrom vor allem aus dem bayrischen Raum wurde immer größer, ein ungestörtes Rennen war praktisch nicht mehr möglich. Ein paar hundert aufsteigende und abfahrende Schifahrer – mitten durch einen ausgeflaggten Riesentorlauf, das war nicht ungefährlich und auch nicht mehr lustig. So entschloss sich die Vereinsführung nach dem Pflaumeirennen 1980 zu einer Verlegung der Schimeisterschaft zum Wildanger, unterhalb des Stripsenjochs, im Nahbereich der vereinseigenen Wildangerhütte, wo die Rennen heute noch durchgeführt werden. Als letzte Pflaumei-Sieger scheinen Waltraud Schenk, die das Rennen 11 Mal gewonnen hatte, und der Goinger Josef Hirzinger, immerhin auch ein 3-facher Sieger, auf.
Die Rennen am Wildanger wurden also familiärer, die Strecke kürzer, die Stimmung aber wie im Pflaumei – einmalig! Aber das ist eine eigene Geschichte.

Horst Eder