Matilda, Jakob und Antonia freuen sich auf das Christkind. Aber es gibt auch viele offene Fragen …
Drei Augenpaare sind auf die beiden Handys gerichtet, die vor mir auf dem Tisch liegen, um unser Gespräch aufzuzeichnen. „Dürfen wir uns das nachher anhören?“, fragt die vierjährige Matilda. Große blaue Augen, lange blonde Locken –
wer sollte ihr irgendeine Bitte abschlagen? Da tut sich wahrscheinlich sogar das Christkind schwer. Wie sieht es in den Augen der Kinder eigentlich aus, das himmlische Kind? „So groß“, sagt Matilda und hält Zeigefinger und Daumen ziemlich nah aneinander. Ich schätze, es sind drei Zentimeter. Das ist schon sehr klein, gebe ich zu bedenken. „Ja aber das muss so sein, damit man es nicht sieht“, erklärt sie. Das stimmt natürlich. Jakob, fünf Jahre alt, erinnert sich an ein kleines weißes Licht in der Küche, das er einmal gesehen hat. Er erzählt in verschwörerischem Unterton davon. Es müsse wohl das Christkind gewesen sein, mutmaßt er. „Und weißt du, was ich gekriegt habe? Eine Kugelbahn“, sagt er triumphierend.
Matilda sei einmal mit ihren Eltern in der Dunkelheit der Heiligen Nacht mit der Stirnlampe unterwegs gewesen und als sie nach Hause kamen – „tata!“ – war das Christkind da, erzählt sie. Aber auch schon wieder weg. Sie habe zwar noch durch das Schlüsselloch geschaut, aber – nichts. Hm. Immerhin brachte es einen Puppenwickeltisch.
Von Enten und Fröschen
Die Kinder haben zum Zeitpunkt unseres Gesprächs im November noch keinen Wunschzettel gemalt. Aber sie wissen schon, was sie sich wünschen: Antonia, sechs Jahre alt, träumt von einem sprechenden Plüschtier, das Witze erzählt. Ihre Augen funkeln in Vorfreude darauf. Matilda schaut etwas kritisch, springt auf und zeigt mir, wie gut sie den Gang einer Ente nachmachen kann. Was Jakob dazu inspiriert, wie ein Frosch durch den Raum zu springen. Er macht das richtig gut. Ob es wohl dem Christkind gefällt, dass er sich quasi in einen Frosch verwandeln kann? Jakob überlegt, er ist unschlüssig. Für Matilda ist die Sache klar: Natürlich gefalle das dem Christkind. Es bringe dann halt einen Frosch. Aber davon will Jakob nichts wissen. „Weißt du was?“, fragt er mich – rhetorisch, denn er plaudert gleich weiter drauflos: „Ich wünsche mir ein Schwein als Haustier.“ „Ein Riesenriesenriesenschwein“, jubelt Matilda und reckt ihre Arme in die Höhe. „Weißt du was?“, fragt mich Jakob gleich noch einmal – rhetorisch, denn er verrät es mir gleich: „Ich habe daheim schon einen Schreibtisch.“ Den haben die Mädchen auch, wie sich herausstellt. Aber das Christkind hat noch keines der Kinder gesehen. Nachdenkliche Pause.
Bestechende Logik
Matilda nimmt den Faden wieder auf. „Eine gute Frage –
wie alt ist das Christkind?“, will sie wissen. Ratlose Gesichter. „Wie alt kann das Christkind werden?“, hakt sie nach. Ich stelle vorsichtig die Frage in den Raum, ob das Christkind überhaupt altert. Doch Matilda interessiert viel mehr, ob es Mama und Papa, ob es überhaupt eine Familie hat. Denn wenn nicht, sei das sehr traurig, meint sie betrübt und schiebt ihre Unterlippe ein wenig vor.
Das Jesuskind in der Krippe assoziieren die Kinder nicht mit dem Christkind, also bringe ich es ins Spiel. Ja, doch, das Kind in der Krippe kennen alle. „Aber das ist zu groß“, wendet Matilda ein. Stimmt, es ist meist größer als drei Zentimeter und kann also nicht das Christkind sein. Wo Matilda recht hat, hat sie recht. Und außerdem kann sich so ein ungelenkes Baby nicht gut verstecken, auch wenn es immerhin eine Familie hätte.
Ein Himmel voller Christkinder
„Weißt du was?“, fragt Jakob – rhetorisch, denn er liefert mir gleich die Antwort: „Ich weiß, wie alt das Christkind ist. Nämlich fünfzig Jahre. Nein, achtzig Jahre“, verbessert er sich. Wie kommt er darauf? „Das Christkind war zuerst ein alter Opa oder eine alte Oma, dann ist sie tot, und dann Christkind.“ Aha, dann ist der Himmel also voll von Christkindern. Ein schöner Gedanke.
Für Antonia ist das Christkind mittelgroß, meint sie unvermittelt. Sie freut sich auf Weihnachten, weil „dann haben wir Schnee, und dann können wir einen Schneemann bauen“, sagt sie froh.
„Oder einen Schneemann basteln“, so Matilda. Jakob weiß, wie das geht: Einfach eine Kugel als Kopf verwenden. Und die Haare? „Ich habe genug Haare“, versichert Jakob und zieht an einem Büschel auf seinem Kopf. Man könne auch Wolle nehmen, sagt Matilda pragmatisch.
Süße Erinnerung
Ich frage die Kinder, ob es zu Weihnachten auch etwas Gutes zu essen gebe. „Ja“, rufen alle drei begeistert. Aber welche Leckereien es konkret sind, die auf den Tisch kommen, können sie mir nicht sagen. Dafür erzählt Antonia davon, dass der Christbaum der Familie neben dem Emil seinem Körbchen steht. Emil ist offensichtlich der Hund der Familie. „Aber natürlich gibt es Plätzchen“, kommt Matilda auf das Thema Essen zurück. Plätzchen? Also Kekse? „Ja, Kekse gibt’s bei uns auch“, weiß Antonia zu berichten. „Und die haben wir in einer Dose. Und wenn alle aufgegessen sind, riecht die Dose immer noch nach Keksen, mmmh“, schwelgt sie in süßer Erinnerung. Weihnachtsgebäck interessiert Jakob in jenem Moment nicht allzu sehr. „Aber weißt du was“, fragt er mich – rhetorisch, denn er klärt mich im nächsten Moment darüber auf, wann er Geburtstag hat. Ein Stichwort für Antonia, die gerade einen Tag zuvor ihren Geburtstag feierte. Sie ist jetzt sechs Jahre alt und freut sich schon auf die Schule, wie sie versichert. „Ja, weil ich so schlau bin“, sagt sie leichthin, ganz ohne Dünkel.
Alle freuen sich auf Weihnachten. Worüber würde sich denn das Christkind freuen, frage ich in die Runde. Alle denken nach, Matilda fällt als erstes etwas dazu ein: „Man könnte etwas malen für das Christkind“, schlägt sie vor. Wird sie das heuer tun? „Nein“, so ihre knappe Antwort. Nun gut, mit diesem Engelsgesicht hat sie es wahrscheinlich nicht nötig.
Die Sache mit dem Brav-sein
Was ist das Schönste an Weihnachten? Natürlich, dass es Geschenke gibt, da sind sich alle drei einig, zumindest in den kleinen Köpfen steht die Liste schon. „Weißt du was?“, fragt mich Jakob – rhetorisch, denn er platzt sogleich damit heraus: „Ich bekomme ein Hamsterrad!“ Darin müsse nur der Hamster laufen, nicht er selbst, versichert er auf mein Nachfragen. Aber Hamster habe er keinen. Spannend.
Muss man brav sein am Heiligen Abend, wenn das Christkind kommt? Ja müsse man, auch da sind sich alle einig, denn sonst nehme das Christkind die Geschenke wieder mit. Das mit dem guten Benehmen sei aber gar nicht so einfach, denn es gebe ja auch Geschwister, und die seien auch nicht immer so brav, bekomme ich zu hören. Und was, wenn das Christkind nicht kommt? „Dann kommt der Pumuckel, und der hat rote Haare“, kichert Matilda. Ich lerne an diesem Tag im Kindergarten am Neubauweg: Es gibt immer einen Plan B …
Doris Martinz
