Florian Hollaus spricht darüber, wie es ihm und seinen Freunden geht und wie sie die Zukunft sehen.

Überall hört und liest man davon, wie belastet die Jugend durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine ist. Auch die St. Johanner Zeitung berichtete ja in den letzten Ausgaben davon. Diesmal habe ich mit einem Jugendlichen gesprochen, um aus erster Hand zu erfahren, wie die Situation wirklich ist. Florian Hollaus, 15 Jahre alt, besucht die erste Klasse der Hotelfachschule an den Tourismusschulen Wilder Kaiser in St. Johann und ist „Stammgast“ im „JUZ“.
Als er fünf Jahre alt war, trennten sich seine Eltern. Seitdem verbringt er abwechselnd eine Woche bei seinem Vater in Westendorf und eine Woche bei seiner Mutter in Wörgl. Er hat einen älteren Bruder und einen kleinen Halbbruder.
Wie geht es ihm und den jungen Leuten in seinem Umfeld? Haben wirklich so viele von ihnen psychische Probleme, hat sie die Pandemie tatsächlich so mitgenommen? „Ich kann das eigentlich nur bestätigen“, sagt Florian und nippt an seinem Kakao, den er sich bei unserem Treffen im Café Rainer bestellt hat. Er lächelt zaghaft. Florian trägt einen „Undercut“ und hat das Haar hoch am Hinterkopf zusammengebunden. Der „oversized“ Sweater und die „baggy“ Jeans lassen nur Vermutungen über seine Statur zu.

Woran liegt es, dass es der Jugend schlecht geht? Florian erzählt davon, dass es während der Pandemie zu Reibungen in der Familie gekommen sei. Das war auch bei seinen Freunden so. „Wir durften ja nicht hinaus und saßen alle auf einem Fleck.“ Zusätzlichen Stress habe die Schule verursacht mit den ganzen Unsicherheiten, die die letzten Schuljahre mit sich brachten. „Wenn mir mein Papa nicht geholfen hätte, hätte ich die vierte Klasse im Gymnasium nicht geschafft.“

Nun liegen die schwierigsten Monate der Corona-Krise ja doch schon einige Zeit zurück. Sie wirken also nach? „Ja, mit den Folgen kämpfen wir immer noch, auch in der Schule. Man hat ja den Stoff des letzten Jahres nicht durchgebracht, da gibt es Lücken, die einigen zu schaffen machen. Der Leistungsdruck war vorher schon hoch, jetzt ist er noch größer geworden.“ Bei manchen sitze auch die Angst, sich mit dem Virus anzustecken, immer noch tief. „Zum Beispiel bei einer Freundin, die Asthma hat.“

Die Umwelt bereitet Sorge

Florian erzählt, er sei am liebsten „draußen“ unterwegs, mit seinen Freunden. Er ist eine Art „Kummerkasten“ für sie. Er hört sich ihre Probleme an, „weil ich gerne für meine Leute da bin. Sie sind mir wichtig, deshalb möchte ich, dass es ihnen gut geht.“ Und wie geht es ihm selbst? Florian macht auf mich den Eindruck, als würde er sich ganz wohl in seiner Haut fühlen. Ist er so stabil, oder ist das nur Fassade? „Eher letzteres“, meint er mit einem schiefen Lächeln. Er hat selbst schon die Hilfe eines Psychotherapeuten in Anspruch genommen. Damit ist er nicht alleine: Einige Freunde haben sich bereits ebenfalls Hilfe gesucht. Andere trauen sich nicht, weil sie fürchten, ihre Probleme könnten in der Familie auf wenig Verständnis stoßen. Sie gehen lieber zu Florian.
Wie sehen er und seine Freunde die Zukunft? „Schwarz!“ sagt Florian ohne Nachdenken und fügt noch hinzu: „In puncto Umwelt absolut schwarz.“ Im Freundeskreis wird auch über die Rolle der Europäischen Union beim Umweltschutz gesprochen – die EU bekommt keine guten Noten von den jungen Leuten. „Die früheren Generationen haben den Schaden angerichtet, wir dürfen jetzt alles ausbaden“, sagt Florian. Die Jungen müssen sich für den Klimaschutz einsetzen, während die Äteren an der Macht seien und am liebsten noch weiterhin auf Kohle setzen würde, meint er. Von allen Seiten wird Druck ausgeübt auf die Jugend. Es bräuchte mehr junge Menschen in der Politik, so Florian. Er könne sich vorstellen, „bis zu einem gewissen Grad“ in der Gemeinde auch selber einmal Verantwortung zu übernehmen. Obwohl es schwierig wird, das weiß er schon jetzt: „Die Alten sagen immer, ihr habt ja eh keine Ahnung. Das demotiviert.“ Florian würde sich eine starke Lobby für die Jugend wünschen.

Mobbing im großen Stil

Er und seine Freunde machen sich Sorgen, wie es mit der Umwelt weitergehen wird. Aber auch Mobbing ist ein „Riesenthema“, weiß Florian. „Es braucht einem in der Klasse nur einmal etwas aus der Hand zu fallen, schon heißt es, der ist zu blöd für alles.“ Auch früher habe es schon Mobbing gegeben, das weiß der Schüler. „Aber da musste man sich ins Gesicht sehen. Heute hingegen ist mit ein paar Klicks das Ganze ganz groß in der Öffentlichkeit.“ Er will das Problem niemandem in die Schuhe schieben: „Das hat die Jugend verbockt, daran sind wir selber schuld.“ Der 15-Jährige würde sich jedoch mehr Unterstützung bei der Aufarbeitung von Mobbing und wünschen, zum Beispiel in der Schule.
Was braucht Florians Meinung nach die Jugend, damit die allgemeine Situation besser wird? „Einen Anhaltspunkt“, meint er. Und meint damit wohl Stabilität und Sicherheit – Aspekte, die in den letzten Jahren in vielen Bereichen verloren gegangen sind. Er wünscht sich auch mehr Akzeptanz, zum Beispiel beim Thema Sexualität. „Es muss einfach alles akzeptiert werden, Geschlecht oder Orientierung dürfen keine Rolle mehr spielen.“ Mehr Angebot für die Jugend wäre auch schön: „Man kann in St. Johann abends nirgendwohin ausgehen und mit Freunden abhängen, zusammensitzen und ratschen.“ Längere Öffnungszeiten des JUZ stehen ebenfalls auf seiner Wunschliste.

Jugend ernst nehmen

Während viele Erwachsene begreifen, was mit der Jugend momentan passiert, halten sie andere für verwöhnt. Was hält ihnen Florian entgegen? „Das ist absoluter Bullshit!“, meint er mit Nachdruck. „Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass Oberstufenschüler aktuell den gleichen psychischen Belastungen ausgesetzt sind wie Soldaten im Zweiten Weltkrieg. Das ist nicht gerade toll, oder?“ Als Opfer sieht er sich dennoch nicht: „Aber wir müssen halt viel ausbaden.“
Im Gegensatz zu Corona ist der Krieg in der Ukraine für Florian und sein Umfeld kaum ein Thema. „Wir verfolgen das nicht wirklich und wollen uns damit nicht auch noch belasten. Wir können eh nichts ändern.“

Als 15-Jähriger kann Florian tatsächlich (noch) nicht viel ändern, da sind wir Erwachsenen gefragt. Was wir auf jeden Fall tun können und auch sollten: Die Probleme der Jugend ernst nehmen, uns mit ihnen auseinandersetzen und uns gemeinsam mit den jungen Menschen um Lösungen bemühen. Dann ist viel getan.

Doris Martinz