St. Johanner Kulturstätte besteht bereits seit mehr als 20 Jahren.

Viele erfolgreiche Kinofilmreihen erhalten heutzutage eine Rising-Edition: Hannibal Rising, Batman Rising, Ocean Risin.. Alle gemeinsam tragen den Anlass, die Entstehung von Geschichten aber auch Legenden zu erzählen oder zu erklären. Leider wurde über das Kulturzentrum in St. Johann in Tirol kein Film gedreht – obwohl dieser sicherlich mehr als unterhaltsam gewesen wäre. Das, was sich in der Lederergasse 5 in den letzten zwei Dekaden entwickelt hat, hat aber durchaus etwas Legendäres, zumindest aber eine ungewöhnliche Entstehungsgeschichte.
Kaum eine Ausgabe der St. Johanner Zeitung, in der es nicht irgendetwas aus dem Bereich des Kulturzentrums zu berichten gab und gibt. Vorankündigungen, Eventberichte; von kleinen Veranstaltungen bis zum jährlichen Jazzfestival – hier ist immer etwas los, hier findet jeder regelmäßig Alternativen für den eigenen Kulturbedarf. Jeder, der dies finden will. Auch in den kommenden Jahren werden wir bestimmt über die zahlreichen Aktivitäten berichten. Die Alte Gerberei wird dabei auf so unterschiedliche Weise von verschiedenen Vereinen und für deren Zwecke genutzt, dass wir „Material ohne Ende“ finden werden. In dieser Reportage wollen wir uns aber – wie im Titel angekündigt – mit der Entstehungsgeschichte beschäftigen – genauer gesagt eigentlich mit dem Gebäude.

Los geht’s mit dem Leder aus der Lederergasse

Der Gebäudekomplex der Alten Gerberei wurde mit der Gründung der Firma für Lederwaren Ritsch im Jahre 1908 gebaut. Schon zum Start waren Besonderheiten zu verzeichnen. So war das Produktionsgebäude einer der ersten Stahlbetonbauten dieser Region überhaupt und auch die Energieversorgung durch den Antrieb mittels „auswärtigem“ Mühlenrad war keinesfalls üblich. Bis 1940 wurden hier spezielle Produkte aus Tierhäuten hergestellt und von hier aus über die Grenzen Österreichs verkauft. Bis 1940 wurde im Familienbetrieb produziert. Danach diente der Komplex vornehmlich als Wirtschaftsgebäude des Bauernhofes. Im Jahre 2000 wurde die Halle erstmals als Veranstaltungssaal genutzt. Daran fand der damalige Eigentümer, die Stiftung Elbogen, offensichtlich Gefallen und bot im Jahre 2002 das gesamte Areal mit allen Gebäuden zum Verkauf und auch zur Nutzung als Kulturzentrum an. 1 Million Euro wurden gefordert und man gab den Interessenten nicht mehr als zwei Monate Zeit, ein entsprechendes Konzept für Erwerb und Nutzung vorzulegen.

Nicht nur Mut – ein wenig Leichtsinn gehörte sicher dazu

„Eigentlich nichts für einen Privatmann“, dachte sich Hans Oberlechner. „Also mach ich’s.“
Er wusste zufällig um die Suche der Montessori-Schule nach einem neuen, eigenen Gebäude – und die Idee des Verkäufers deckte sich ja zusätzlich noch mit seinen ersten Vorstellungen eines Kulturzentrums in der Gemeinde. Die bereits 1992 gegründete Kulturinitiative MUKU (Musik Kultur St. Johann), deren Geschäftsführer er bis heute ist, war dann auch neben der Schule der perfekte zweite Partner für die Übernahme. Mit großem Wagemut übernahm Hans Oberlechner dann privat den dritten Teil des 4.000 qm großen dreiteiligen Objektes inklusive des dort platzierten Wohngebäudes. Später hat er dann diesen Teil der Lederergassen-Kolonie (wohl mit kleinen Verlusten) an ein Wohnungsbauunternehmen verkauft, das dort danach einige Wohneinheiten neu errichtet hat.
Die MUKU ist als gemeinnütziger Verein natürlich von Anfang an auf diverse Unterstützer angewiesen gewesen. Neben dem Kaufpreisanteil von etwa 350.000 Euro und den fast identischen zusätzlichen Um- und Ausbaukosten wurde später noch ein „Backstage-Gebäude“ angebaut, das mit rund 50 m2 Fläche für die Künstler mit Duschen und WCs sicher auch noch einmal einen kleinen 6-stelligen Betrag gekostet hat. Unabhängig von diesen Eckwerten ist der eigentliche Wert der Alten Gerberei für das Kulturleben der Gemeinde aber ganz sicher erheblich höher, als dies schnöde Eurowerte ausdrücken können. Was wäre St. Johann heute also ohne solche Pioniere? „Was wäre die Alte Gerberei ohne den Einsatz der zahlreichen Helfer“ korrigiert Hans Oberlechner. „Kaum vorstellbar, wie es hier einmal ausgesehen hat“. Einiges kann man an den Bildern in diesem Bericht aber schon erahnen.

Die MUKU und die Alte Gerberei heute

Der Geschäftsführer nennt eher ungewöhnlich offen Zahlen und Fakten. Das übliche „Herumgerede“ um konkrete Fakten verwendet er auch nicht, als wir nach dem aktuellen Budget und der Versorgungslage fragen.
„Wir benötigen etwa 280.000 Euro im Jahr zur Unterhaltung und Pflege der Gebäude, für Gehälter und – vor allem – für Künstlerhonorare. Diese werden im Wesentlichen von drei Säulen getragen: 1. Eigenmittel aus den Veranstaltungen der Vereine und Gastveranstalter und den Mieteinnahmen. So gibt es unseren Proberaum und einen Clubraum, der z.B. vom SLOGA (bosnisch/serbischer Kulturverein) angemietet wird.
2. Unterstützung des Landes Tirols, des Bundesministeriums und der Marktgemeinde sowie kleineren Einrichtungen. 3. Etwa 70 Sponsoren, die teilweise als Mitglieder werbemäßig auf unseren Publikationen erwähnt werden.“
Aber die MUKU ist nicht der einzige kulturelle Träger. Es gibt eine Reihe von regionalen Kulturvereinen, die das Gebäude und die Infrastruktur heute nutzen. „Und genau das macht die Bedeutung der Alten Gerberei für die gesamte kulturelle Szene in St. Johann aus“, so das Schlusswort von Hans Oberlechner, der zusammen mit seinem Team schon für das nächste Jahr vorausplant.
Wir werden berichten.