Der ehemalige St. Johanner Alpenvereins-Obmann Horst Eder hat aus seiner Erinnerung ein paar Erlebnisse niedergeschrieben. Teil 2
Große Ereignisse im Dorf und im Land
Mitte der 1950er-Jahre gab’s einige Ereignisse von großer Bedeutung für unsere Gemeinde und unser Land. Da war zum einen der Staatsvertrag 1955, der Österreich die Freiheit und Neutralität brachte, den Abzug der Besatzung, die Gründung des Bundesheeres; man war wieder Herr im eigenen Lande. Ein kultureller Höhepunkt war die Wiedereröffnung der Staatsoper, die in den letzten Kriegswirren schwer zerbombt wurde, mit Beethovens einziger Oper „Fidelio“ und mit der Prägung einer Sondermünze wurde das im Herbst 1955 würdig gefeiert. Der ORF übertrug das als eine der ersten TV-Live-Sendungen, für ganze 800 gemeldete Fernseh-Teilnehmer!-
Olympische Winterspiele in Cortina d’Ampezzo
Dann, im Winter 1956, kam noch ein sportliches Fest dazu: die Olympischen Winterspiele in Cortina d’Ampezzo, bei denen Österreich brillierte. Unvergessen der dreifache Olympiasieg von Toni Sailer aus Kitzbühel. Und in den deutschen Print-Medien, also im Lesezirkel, fanden diese Ereignisse auch ihre Erwähnung,
„…du, glückliches Österreich, feiere!“ war der Haupttenor. Dass zwei Jahre vorher, 1954, Deutschland in der Schweiz Fußball-Weltmeister wurde und Österreich Dritter, sei der Ordnung halber auch erwähnt. Noch präsent in der Sportgeschichte unser Sieg gegen die Schweiz in Lausanne, nach einem 0:3 Rückstand gewannen wir noch 7:5, bis jetzt das trefferreichste WM-Spiel überhaupt! Und das durfte ich als Zehnjähriger per Äther miterleben!
Unsere Markterhebung
1956 gab es auch eine große Feier in St. Johann: wir wurden zur Marktgemeinde erhoben, bis dahin waren wir das größte Dorf Tirols. Der Festakt fand im Rahmen einer Feldmesse vor dem Kino in der Meraner Straße statt, in der Nacht zuvor brannten von den Gipfeln um St. Johann die Bergfeuer, ein großer Festzug am Sonntag war der Höhepunkt – als neugierige Kinder erlebten wir das alles aus nächster Nähe.
Die Kirchgass’ und der Stöckl Paul
Sonntag war für uns Kinder der Kirchgang obligatorisch, das verlangten schon unsere Herren Geistlichen im Rahmen des Religionsunterrichts. Um 10 Uhr war Kindermesse, der Vorplatz der Kirche war noch voll mit Leuten von der Halb-Neun-Uhr-Messe, da traf sich hauptsächlich die Männerwelt, es wurde in kleinen Gruppen über dies und jenes geredet, vielleicht auch gefeilscht und gehandelt, im Stehen, da gab‘s keine Müdigkeit. Und es gab an der Friedhofmauer ein kleines Podest, von dem aus sich fallweise der Gemeindebedienstete Paul Stöckl mit offiziellen Verlautbarungen und lauter Simme an die Anwesenden richtete. Paul Stöckl war zwar ein Namensvetter zum „Schotter-Stöckl“, aber das war Zufall, die beiden waren nicht verwandt. Aber etwas gab es noch: der Gemeindebedienstete Paul Stöckl betrieb in der Wieshoferstraße ab Mitte der 1950er-Jahre ein „Badhaus“, es wurden Duschen und Wannenbäder gegen Entgelt zur Benützung angeboten, und das wurde einige Zeit, bis in die 1960er-Jahre, vielfach angenommen, ein eigenes Bad zu haben war zu dieser Zeit nicht für alle eine Selbstverständlichkeit. Dass er und seine Familie auch noch die erste Sauna in St. Johann in Betrieb nahmen, brachte ihm den Titel „der Sauna-Stöckl“ ein. Darüberhinaus war er auch eifriger Musikant und Obmann unserer Bundesmusikkapelle.
Die Hauptschule als Pflichtschulabschluss
1954 war Ende der Volksschulzeit, vier Jahre Hauptschule standen bevor. Eine interessante Zeit, Klassenvorstand Walter Bodner begleitete uns vier Jahre, wir hatten kompetente Lehrpersonen wie Egon Bucher, Helmuth Waltl, Brigitte Gruber u.a., die Schülerschar war breit gefächert, aus Fieberbrunn, St.Jakob, Going, Oberndorf, Ellmau und Kössen – da kam der nachmalige Landespolitiker Fritz Astl her, der zwei Jahre bei der „Post-Hella“ im alten Raiffeisenhaus wohnte; es gab viele nette Kontakte, auch gemeinsames Aufgaben-Machen und Vokabeln-Lernen. Schulfreunde waren auch der Rudolf Schindler und der Franz Singer, die mir den Beitritt zur Alpenvereins-Jugend schmackhaft machten, was ich nie bereut habe. Konrad Pernstich war mein Partner bei der Schulmilch-Austeilung, also auch ein „Ehrenamt“ für uns. Ein paar Schulhefte und einige Geometrische Zeichnungen (ein Lieblingsfach) habe ich noch, was mich aber besonders freut, dass ich das Lesebuch „Der Weggenoss“ der letzten Hauptschul-Jahre mit seinen sinnvollen Inhalten noch in die Jetztzeit gerettet habe.
Zeugnisverteilung im Schnellzug
Im Rahmen der Aktion „Österreichs Jugend lernt ihre Bundeshauptstadt kennen“ gab es auch 1958 die „Wien-Woche“. Wir erlebten eine hochinteressante Zeit mit Burgtheater- und Volksoper-Besuch, die nagelneue Wiener Stadthalle beeindruckte uns sehr. Unser patriotischer Herr Direktor Fritz Randl hatte auch seine Freude, dass wir großes Interesse an unserer Hauptstadt zeigten. Und wie der Zufall so spielt, waren wir mit der Wien-Woche in der letzten Schulwoche dran, also ganz am Ende unserer Pflichtschulzeit. Die Zeugnisverteilung fand darum bei der Heimreise im Schnellzug statt, ab Salzburg begab sich unser Klassenvorstand Walter Bodner in ein Abteil, und in alphabetischer Reihenfolge besuchten wir ihn und holten unser Abschluss-Zeugnis ab. So ein Ende der Pflichtschulzeit hat auch nicht jeder.
Das waren ein paar Erinnerungen an die 1950er-Jahre, der nächste Schritt war dann der Eintritt ins Berufsleben, aber das ist eine andere Geschichte.
Horst Eder