Gudrun Krepper leitet das Jugendzentrum in St. Johann. Gemeinsam mit Nadja Franze berichtet sie über Sternstunden und Herausforderungen in der Jugendarbeit.

Wir sitzen im „Zocker-Raum“ des Jugendzentrums, das sich seit fünf Jahren im Gebäude des „Koasastadion“ befindet. Ein paar alte, abgewetzte, aber sehr gemütliche Sofasessel stehen hier, an der Wand hängt ein Bildschirm. That’s it. Den Raum nützen vor allem die jüngeren Besucher des „JUZ“, sie spielen hier mit der „Playsi“ (Playstation).
Gudrun Krepper, 52 Jahre alt, geht im JUZ ein und aus, seit es gegründet wurde – und das war im Jahr 1984. Mit 14 Jahren arbeitete sie bereits selber mit, unterstützte den damaligen Leiter Erich Pürstel, war fixer Bestandteil des JUZ-Teams. Damals gab es für Jugendliche nicht so viele Möglichkeiten der Freizeitgestaltung wie heute, sagt sie. Das JUZ war ihr zweites Zuhause. In den Anfängen waren „Jugend“ und „Kultur“ in St. Johann noch eng verbunden. Das JUZ-Team veranstaltete Konzerte, Vorlesungen, zeigte Kinofilme. Gudrun erinnert sich daran, wie das Vorführungsgerät für jeden Film von Kufstein mit der Bahn nach St. Johann gebracht wurde und an das knatternde Geräusch, das jedes „Movie“ begleitete. Auch das Theater war immer wieder im JUZ zu Gast. Einmal führte eine Gruppe ein Stück zum Thema „Aids“ auf. Die SchauspielerInnen waren alle mit dem Virus infiziert, erinnert sich Gudrun. Und sie weiß auch noch, dass jene damals in St. Johann keine Unterkunft fanden, dass alle Beherbergungsbetriebe ihre Türen verschlossen und die Darsteller schließlich im JUZ übernachten mussten.
Als es von Seiten der Gemeinde hieß, Kultur und Jugend seien zu trennen, als es weitere Diskussionspunkte gab und die Mittel für die Jugendarbeit gekürzt werden sollten, wurde das JUZ geschlossen. Erst Jahre später, 1994, nahm man den Betrieb wieder auf – Gudrun war stundenweise wieder mit dabei, übernahm immer mehr Agenden und schließlich die Leitung. Dabei hatte sie eigentlich eine Ausbildung als Einzelhandelskauffrau abgeschlossen. Die Jugendarbeit war ihr immer wichtiger. Ihre Ausbildung absolvierte sie übrigens über die Katholische Jugend und über die „Plattform Offene Jugendarbeit Tirol“. Obwohl sie Kinder liebt, ist sie selbst nie Mutter geworden: „Des håt sich einfach nia ergeben.“
Heute hat die Kultur wieder ihren Platz im JUZ, zum Beispiel beim jährlichen ArtActs-Festival, oder bei „lausch und plausch“.

Die Themen sind dieselben
Wie sehr haben sich die Jugendlichen in den letzten Jahrzehnten verändert, sie ticken heute bestimmt anders als vor 30 Jahren? „Früher håt ma die Jugendlichen leichter für etwas begeistern können“, meint Gudrun, „heit’ miassn’s selber wollen, sonst is’s schwierig.“
Im übrigen seien die Themen aber immer noch dieselben, meint sie. Akzeptanz in der Gruppe, Beziehungen, Elternhaus, Schule und Arbeit, all das komme immer wieder zur Sprache. Auch heute gebe es aber Jugendliche, die sich – wie Gudrun damals – engagieren und im JUZ mithelfen. Davon berichtet auch Nadja Franze, 37, begeistert. Die Berlinerin kam über ihren Mann nach St. Johann und arbeitet seit 2017 im JUZ mit. Die dreifache Mutter hat Stadt- und Regionalplanung studiert, hatte schon in Berlin viel mit jungen Menschen zu tun und belegte Kurse für offene Jugendarbeit. Sie liebt ihren Job im JUZ, „weil es eine sinnvolle Aufgabe ist, und weil man von den Jugendlichen viel zurückbekommt.“

Angebote für Klein und Größer
Insgesamt sind es über 200 Jugendliche, die immer wieder ins JUZ kommen – zum offenen Treff oder zum „Mötzen-Treff“ am Samstagvormittag. Die Freitag- und Samstagabende sind am stärksten frequentiert, da kann es schon sein, dass sich 50 Leute oder mehr einstellen. Zum Kindernachmittag jeden Mittwoch (für Kids von 8 bis 12) stellten sich insgesamt 170 Kinder ein. Die Kids und Jugendlichen kommen aus allen sozia­len Schichten. Sie haben in manchen Fällen ein fürsorgliches, „funktionierendes“ Elternhaus oder kommen auch aus zerrütteten Beziehungen, also mit ganz unterschiedlichen Hintergründen. Das spielt keine Rolle. Im JUZ finden sie alle Raum für die Begegnung mit Gleichgesinnten, für Spiel und Spaß.

Eigentlich gilt das Angebot für Jugendliche ab dem 12. und bis zum vollendeten 18. Lebensjahr. Aber wer ist mit 18 schon erwachsen? Niemand, deshalb ist das JUZ für junge Leute bis 25 da. Sie kommen gerne und bringen ihr Fragen und Probleme mit. Ein Riesenthema ist bei den älteren das Wohnen, weiß Gudrun: „Wer heit’ mit Anfang 20 ausziehen will in a kloane Wohnung, muass guat verdienen, um sich des leisten zu können.“ Eine echte Zwickmühle – viele junge Leute sollen und wollen selbständig werden, können sich aber keinen eigenen Wohnraum leisten. Auch wenn es zum Beispiel um Arbeitsrecht oder den ersten Autokauf geht, stehen Gudrun, Nadja und das Team, dem auch Patrick Ritter angehört, zur Seite.

Viele ältere ehemalige JUZ-Gäste kommen einfach immer wieder einmal vorbei, um mit Gudrun zu „ratschen“. In den Jahren und Jahrzehnten haben sich enge Freundschaften gebildet. Gudrun lacht vor sich hin. Als ich nachfrage, was sie so erheitere, erzählt sie von ihren „großen Jungs“, die jetzt meinen, dass die „Kleinen“ viel frecher seien als sie damals und dass sie mit den „Kleinen“ viel nachgiebiger sei. Das stimme natürlich nicht, aber die Wahrnehmung verändere sich eben mit dem Erwachsenwerden. Vieles sehen ihre Schützlinge dann in einem anderen Licht. Letzthin meinte einer von ihnen, er fühle sich so erwachsen, so gereift angesichts der vielen jüngeren JUZ-Besucher. „Es is wunderbår, junge Leit’ auf dem Weg zum Erwachsenwerden zu begleiten“, sagt sie und schmunzelt vor sich hin.

Corona und die Jugend
Die Corona-Krise hat Jugendliche eigentlich am schlimmsten getroffen, weiß Gudrun. Weil im Prinzip alles, was sie interessiert, in den Krisen-Wochen verboten oder geschlossen war: Sie durften keine Freunde treffen, keine Lokale besuchen, auch keine Fitnessstudios; Kino und Konzerte waren kein Thema. Grund zur Verzweiflung war das zumindest für die JUZ-BesucherInnen nicht. Vielmehr stellten sie fest, dass es Spaß macht, sich in der Natur zu bewegen. Und dass die Familie viel Halt gibt in Tagen, in denen nichts mehr so ist, wie wir es gewohnt sind.
Erstaunlich auch die Tatsache, dass so manche(r) froh war, sich in den Wochen des Lockdowns das Taschengeld gespart zu haben. Corona bedeutete für die Jugendlichen – und wohl auch für viele Erwachsene – eine Pause vom Konsumzwang. Das alles ergab eine kleine Umfrage, die das JUZ-Team bei seinen „Klienten“ machte.
Im Umgang mit der Krise schiebe man zwar den jungen Leuten den schwarzen Peter zu, meint Nadja, sie habe im Ort aber auch genug Erwachsene beobachtet, die sich in den Quarantäne-Wochen unvernünftig verhalten hätten. „Das waren schlechte Vorbilder“, sagt sie.

Komasaufen ist passé
Ob in der Natur oder im Studio, immer mehr junge Menschen würden sich sportlich betätigen und bewusst auf ihre Gesundheit achten, weiß Nadja. Das „Komasaufen“, vor fünf Jahren noch gang und gäbe (natürlich nicht im JUZ), sei heute kaum noch ein Thema. Auch der Umgang mit Alkohol beim Autofahren ist im Prinzip vorbildlich. „Dia san heit’ viel vernünftiger als wir damals, sie schauen aufeinander“, sagt Gudrun. Meist gebe es einen Fahrer, und der bleibe dann nüchtern.
Im JUZ wird an die über 16-Jährigen Alkohol ausgeschenkt, aber natürlich in Maßen. „Wenn oana zwoa Bier bei uns trinkt, is des scho viel.“ Probleme mit Alkoholisierung gebe es nicht, sagt Gudrun.
Die Probleme sehen sie und Nadja ganz woanders, zum Beispiel im Umgang mit den Medien. Waren es früher Sekten, die junge Menschen negativ beeinflussten und in ihren Bann zogen, ist es heute das Internet beziehungsweise sind es die Sozialen Medien. Die jungen Leute schnappen irgendwo ein Thema auf und würden den Inhalt des Kommunizierten nicht selber recherchieren, erzählt Gudrun. So komme es, dass sie auf „Fake News“ hereinfielen, sich beeinflussen und instrumentalisieren lassen. „Da is viel Aufklärungsarbeit nötig in den Schulen und a dahoam im Elternhaus“, weiß sie. Wobei auch die Eltern ihren eigenen Umgang mit Facebook und Co überdenken sollten, meint Nadja.

Der Jugend-Coach hilft
Bei Problemen aller Art steht das JUZ-Team den Jugendlichen gerne zur Seite, wenn nötig, auch mit zusätzlicher Unterstützung: Jugend-Coach Michael Wimmer hilft, wenn es in der Schule oder mit der Ausbildung nicht klappt, wenn Jugendliche keine Perspektiven sehen oder bei anderen Problemen. Bei Bedarf können im JUZ einfach Gesprächstermine vereinbart werden.
Was wünschen sich Gudrun und Nadja für die Zukunft des JUZ? „Dass die Jugendarbeit, dass die Jugend an sich wichtig genommen wird“, sagt Gudrun ausdrücklich. Sie ortet ein generelles Vakuum, wenn es um die Jahre zwischen der Kindheit und dem Erwachsensein geht. „Vielleicht a, weil diese Gruppe touristisch nit interessant is“, meint sie nachdenklich. Für die bestehenden Räumlichkeiten des JUZ im Koasastadion ist das Team sehr dankbar, hier lässt es sich gut arbeiten. Abseits davon wäre es aber schön, wenn der bestehende Skatepark ausgebaut werden könnte, um ihn auch für die Größeren attraktiv zu machen. Und außerdem sollte es in St. Johann dringend eine Bar oder eine Disco geben, in der sich die jungen Leute treffen und tanzen können bis in die frühen Morgenstunden. Dass es nicht leicht ist, einen geeigneten Platz dafür zu finden, ist Gudrun und Nadja bewusst. Auch, dass man als Gemeinde nicht einfach eine Disco „verordnen“ kann. Es ändert nichts an der Tatsache, dass die Jugend in St. Johann bis nach Kitzbühel und Kirchberg ausweichen muss, wenn sie nächtens ihren Spaß haben will. Für Ideen und Vorschläge hat man im JUZ immer ein offenes Ohr …
Doris Martinz