Elisabeth Grander vom Hotel „zur schönen Aussicht“ über den kulinarischen Herbst in ihrem Betrieb und mehr.

„So grün, wie es heuer ist, war es um diese Zeit schon lange nicht mehr. Eine wahre Freude, wenn man vom Berg ins Tal schaut“, sagt Elisabeth mit einem breiten Lächeln bei unserem Gespräch Anfang September. Dass das schöne Grün auch mit dem vielen Nass im Juli zusammenhängt, spielt für sie keine Rolle. Der Juli sei schwach gewesen, bestätigt sie auf meine Nachfrage. Aber der Juni dafür umso besser. Und abgerechnet werde am Ende der Saison. Besorgnis? „Überhaupt nicht. Ein Auf und Ab ist doch ganz normal, das war in den letzten 30 Jahren nicht anders.“
Selbst wenn sie sich Sorgen machen würde: Bei der Arbeit haben jene nichts verloren. Schließlich sagte schon ihre Großmutter: „Wenn du in der Früh aufstehst und nicht gut drauf bist, dann denk daran: Der Gast kann nichts dafür.“ Das halte sie sich täglich vor Augen, bestätigt Elisabeth. Wenn man zuversichtlich in den Tag starte, würden sich etwaige Probleme oft wie von selbst lösen. „Wir arbeiten. Wir dürfen und können“, sagt sie mit Nachdruck.

Wirtin in dritter Generation

Probleme gibt es im Hotel­ auch beim Finden von Mit­arbeiter:innen nicht. 15 bis 24 an der Zahl sind es, die sich um die maximal 73 Gäste kümmern. Man könne zum Glück auf ein unglaublich tolles Team vertrauen, so die Hotelchefin. Es bedürfe aber schon besonderer Anstrengungen, Mitarbeiter:innen zu bekommen und zu halten, gesteht sie. Ihr Patentrezept: Miteinander reden, alles ausdiskutieren, noch bevor kleine Anliegen zu großen werden. „Das ist halt meine Art und Weise, damit umzugehen. Ich selbst bin ja auch froh, wenn mir jemand zuhört.“
Eigentlich beschäftige man mehr Mitarbeiter, als sich der Betrieb leisten sollte. „Aber mit weniger will ich nicht, ich mag das einfach. Da höre ich auch auf mein Bauchgefühl.“ Dass sich das Team aus Menschen zusammensetzt, die aus vieler Herren Länder stammen – beispielsweise aus Österreich, Deutschland, Ungarn und der Slowakei – ist im Haus nichts Neues, damit ist Elisabeth aufgewachsen.
Sie betreibt das Haus in dritter Generation: Ihre Großeltern machten aus dem ursprünglichen Bauernhof ein Wirtshaus, Vater Franz baute es 1971 zum Hotel aus. Stand für sie schon als Jugendliche fest, dass sie den Betrieb weiterführen würde? „Ich weiß nicht, das waren andere Zeiten“, antwortet Elisabeth etwas nachdenklich. Sie sei im Hotel aufgewachsen, sie habe immer gerne mitgearbeitet und dann übernommen. Alles habe sich so gefügt. „Ich mag meine Arbeit, weil sie so vielseitig ist. Und weil die Leute nett sind. Ich weiß nicht, warum das so ist, aber ich glaube, wir haben die nettesten Gäste auf der ganzen Welt“, sagt sie mit leuchtenden Augen. Klar gebe es hin und wieder ein Missverständnis, aber nichts Gravierendes.
Elisabeth weiß es zu schätzen, dass auch Einheimische zu den Gästen gehören, sie haben im Restaurant ihren eigenen Stammtisch. „Es ist einfach nett, wenn jemand ums Eck schaut, und du kennst ihn, siehst ein bekanntes Gesicht.“ Manchmal, erzählt sie, lade ein Einheimischer einen Hotelgast an den Stammtisch ein. Mit „fatalen“ Folgen: „Da kann es dann schon einmal sein, dass es Diskussionen unter den Gästen gibt, warum der oder der bevorzugt wird.“ Elisabeth lacht herzlich. Das Wichtigste im Alltag mit den Gästen sei, persönlich für sie da zu sein. Sie mit ihrem Namen anzusprechen, eine persönliche Verbindung aufzubauen.

Wild und frisch

Das neue Küchenteam bringt im Hotel zur schönen Aussicht alle zwei Wochen Abwechslung in die Speisekarte. „Neue und spannende Gerichte, alles frisch gekocht, darauf legen wir großen Wert“, beschreibt es Elisabeth. Im Oktober stehen Pilze auf dem Programm, auch Wildgerichte. Und weil die Spanferkelstelze im Sommer so gut ankam, wird sie weiterhin immer wieder auf der Karte stehen.
Da ihre Gäste im Zuge der Digitalisierung immer internationaler werden, möchte Elisabeth den bisherigen Drei-Stern-Betrieb zum Vier-Sterne-Hotel machen. Umstellen könne sie heute schon, meint sie. Aber sie wolle den zusätzlichen Stern, das Mehr an Qualität, von innen heraus gestalten und ehrlich umsetzen, auch in der Küche. Nach und nach stehen dann noch die Renovierung einiger Zimmer und der Sauna an, vielleicht auch die Neugestaltung der Außenansicht. 2026 sollte die Verwandlung abgeschlossen und der vierte Stern im Logo integriert sein.

Das A-la-Carte-Restaurant zu schließen und nur mehr für die Hotelgäste zu kochen, wie es manch anderer Betrieb tut, kommt für Elisabeth nicht in Frage. „Es gibt so viele Häuser in St. Johann, die nur Frühstück anbieten. Wohin sollen die Leute dann essen gehen? Ich würde jedenfalls nie in einen Urlaubsort fahren, in dem ich mir überlegen muss, wo ich zu einem Abendessen komme.“ Man habe letzten Winter die Situation erlebt, dass man im Restaurant aufgrund des großen Andrangs immer wieder Gäste wegschicken musste. „Denen haben wir eine Kleinigkeit angeboten, damit sie überhaupt etwas essen konnten.“
St. Johann sei ein toller Ort, es laufe vieles gut, meint Elisabeth. Aber man dürfe nicht anfangen zu schwächeln und als Grund die fehlenden Mitarbeiter anführen. „Mitarbeiter bekommen wir nämlich. Und wenn man als Chefin oder Chef im Winter drei Monate durcharbeitet, ist das halt so.“ Voraussetzung dafür ist freilich, dass die Arbeit Obsession ist – und jener Weg, den man wirklich gehen will: „Es muss Spaß machen. Dann ist es auch nicht beschwerlich, abends für die Gäste da zu sein.“ Sie wünscht sich, dass man aufhört, die Branche und die Jobs in der Gastronomie und Hotellerie schlecht zu reden. „Wenn es in einem Betrieb nicht passt, hat man hundert andere Möglichkeiten. Schlechte Chefs gibt es überall, man kann auch in einem Büro unglücklich sein. Die Jammerei über die Bedingungen in der Gastro ist furchtbar.“ Sie selbst jedenfalls könne sich ein Leben ohne ihr Team und ohne ihre Gäste nicht vorstellen. Und umgekehrt ist es wohl auch so: Wir wollen uns ein Leben ohne Gastronomie und die Menschen, die uns dort verwöhnen, nicht vorstellen. Wir brauchen uns gegenseitig.

Doris Martinz