Markus Prantl erzählt, warum er Bergretter wurde, und was ein schwerer Unfall damit zu tun hatte.

Wow, der Mann ist komplett „austrainiert“, denke ich mir, als ich Markus zum ersten Mal gegenüberstehe. Ein Bergretter halt! Der 35-Jährige war jedoch nicht immer so gut „in Schuss“: „Bevor ich zum Bundesheer kam, war ich ein totaler Couchpotatoe“, gesteht er bei unserem Gespräch im Café Rainer lächelnd. Er erzählt von einem schweren Unfall beim Autoslalom in Linz, den er als Rennfahrer nur knapp überlebte. „Ich bin dem Teufel noch einmal von der Schaufel gesprungen“, so formuliert es der gelernte Computer-Programmierer. „Es klingt kitschig, aber seitdem ist eigentlich jeder Tag ein Geschenk.“
Nachdem er wiederhergestellt war, fuhr er ein weiteres Jahr Autorennen. Ein Tattoo am Unterarm erinnert an diese Zeit: „Kadett“ steht dort zu lesen. Sobald er wieder dazu in der Lage war, nahm er auch das Bergsteigen und Klettern wieder auf, inzwischen seine liebsten Sportarten. Vor zwölf Jahren ging er dann zur Bergrettung – zuerst in St. Ulrich, danach in St. Johann. Warum tat er diesen Schritt? „Wahrscheinlich auch aus dem Bedürfnis heraus, nach meinem Unfall etwas zurückzugeben. Damals gab es Menschen, die mir geholfen haben – jetzt kann ich helfen.“ Seit drei Jahren ist Markus Prantl Ortsstellenleiter der Bergrettung St. Johann und folgte damit Christoph Bombek.

140 Einsätze

Für Interessierte: Das Bergsteigen und Klettern erlernt man bei der Bergrettung nicht, entsprechende Kenntnisse muss man mitbringen und mittels Tourenbuch nachweisen können. Was man erlernt, ist das Bergen und Retten. Bewerber:innen werden – wenn die Voraussetzungen passen – als Anwärter:innen aufgenommen, absolvieren nach Schulungen und ersten, leichten Einsätzen die Anwärterprüfung und nach weiterer Ausbildung die Prüfung zum Bergretter/zur Bergretterin. „Wenn man schnell ist, ist man in 2,5 Jahren fertig“, so Markus. Die Bergrettung St.Johann hat derzeit 61 Mitglieder, 53 davon aktive.
Der Unfall mag vor Jahren ein Grund dafür gewesen sein, dass sich Markus dem Verein anschloss. Dass er blieb, hat für ihn und die gesamte Mannschaft einen weiteren wichtigen: „Wir sind selbst viel auf den Bergen unterwegs und wissen, wie schnell eine Situation eintreten kann, in der man sich nicht mehr selbst helfen kann. Dann braucht man jemanden, auf den man sich verlassen kann, der sich auskennt.“ Markus und sein Team wollen diese verlässlichen Menschen für andere sein. In den letzten zwölf Jahren hat er etwa 140 Einsätze absolviert, das Team ist allein im Jahr 2024 insgesamt fast 60 Mal zu Einsätzen ausgerückt.

Besondere Momente

Über mangelndes Interesse bei den jungen Leuten kann sich der Verein nicht beschweren: „Es ist ein guter Grundstock da, aber natürlich nehmen wir gerne weitere Mitglieder auf.“ Übrigens: Bislang gibt es erst zwei Bergretterinnen, weitere weibliche Teammitglieder sind herzlich willkommen.
Als Bergretter helfen Markus und seine Crew Menschen in Not – ihr eigenes Leben riskieren sie dabei jedoch nicht: „Eigenschutz geht vor Fremdschutz!“ Doch die Männer und Frauen geben in den Einsätzen alles – körperlich und mental. Weil es sich gut anfühlt, anderen Menschen zur Seite stehen zu können. Und für „die kleinen Momente dieser unglaublich ehrlichen Dankbarkeit der Leute, denen man hilft“, so beschreibt es Markus. Diese Momente seien für ihn und die anderen die Triebfeder dafür, immer das Beste zu geben. Wie groß die Dankbarkeit der Geretteten ist, lässt sich im Alpinheim erahnen: An einer Wand hängen unzählige Botschaften, verfasst von Menschen aus aller Welt. Sie begaben sich meist nicht aus Leichtsinn in gefährliche Situationen: „Wenn ich mir die Einsätze vom vergangenen Winter anschaue: Da war keiner dabei, von dem ich sage, das hätte mir nicht passieren können.“ Markus fügt mit Nachdruck hinzu: „Ein Bergretter rettet, aber er richtet nicht.“
Am schwierigsten und belastend seien Einsätze, bei denen Kinder oder junge Menschen involviert sind, sagt der St.Johanner. „Das geht tief.“ Er berichtet von einem Einsatz im Februar, der ihn sehr mitgenommen habe. Wie helfen sich die Bergretter:innen in so einem Fall selbst? „Durch Reden. Im Team.“ Markus erinnert sich an den Einsatz, in dessen Zuge er zum ersten Mal einen Verstorbenen zu sehen bekam. Es handelte sich um einen Pilzsammler, der in einem Graben abgestürzt war. Der Einsatzleiter habe ihn tags darauf angerufen und sich erkundigt, wie es ihm gehe und wie er geschlafen habe. „Das war schön. Du weißt, man kümmert sich, man schaut aufeinander.“ Die Einsatznachbesprechung sei sehr wichtig.
Gerade bei dramatischen oder doch „speziellen“ Einsätzen: Markus erzählt von einem Einsatz, bei dem drei Mexikaner den Rückweg vom Predigtstuhl im Wilden Kaiser nicht fanden und um zehn Uhr abends einen Notruf absetzten. Die Alarmierung wurde nach kurzer Zeit abgebrochen – es hieß, die drei hätten den Weg gefunden. Am nächsten Morgen dann die Sucheinsatz-Meldung der Exekutive: Drei abgängige Mexikaner am Predigtstuhl. „Sie haben sich bei Nebel und schlechtem Wetter wahrscheinlich an der falschen Stelle abgeseilt. Als wir sie gefunden haben, waren sie stark unterkühlt und wurden schließlich mit dem Hubschrauber ausgeflogen. Es ging zum Glück alles gut aus.“
Nicht nur als Ortsstellenleiter der Bergrettung hilft Markus in Notfällen, er tut es auch beruflich – als Disponent der Leitstelle Tirol in Innsbruck. Mehr über diesen spannenden und fordernden Job sowie über seine Liebe zu außerordentlich fordernden Radrennen erzählt er uns demnächst in einem weiteren Artikel.
Doris Martinz

Wer die Bergrettung unterstützen will, kann dies als Förderin/Förderer tun und kommt in den Genuss umfassender Versicherungsleistungen. Infos unter
www.bergrettung-stjohann.at

Alpiner Notruf: 140