Die zweifache Mutter Jana Schumacher arbeitet in Vollzeit als Ärztin. Wie das geht? Mit Kooperation und viel Willenskraft.
Der Muttertag steht vor der Tür: Kinder überreichen Blumensträuße, sie basteln Herzen und sagen Gedichte auf – und Mama schwebt im siebten Himmel. Zumindest für ein Weilchen, denn spätestens am Tag darauf ist sie zurück auf der Erde: Sie muss zur Arbeit. Seit der Einführung des Muttertags in Österreich vor 101 Jahren hat sich das Bild der Mutter gewandelt. Wenn nicht in allen Familien, so doch in einigen, wie zum Beispiel in jener von Jana Schumacher:
Jana, 35 Jahre alt, ist Fachärztin für Innere Medizin im Bezirkskrankenhaus St. Johann. Sie stammt ursprünglich aus einem kleinen Ort in Rheinland-Pfalz. Beide Elternteile waren berufstätig, die drei Brüder studierten. Keine Frage, dass Jana mitzog: Sie entschied sich für Medizin, denn „ich wollte immer einen kommunikativen Beruf und in einem großen Team arbeiten, an einem quirligen Ort wie in einem Krankenhaus“, erzählt sie bei einem Cappuccino. Sie absolvierte in Riga ihr Medizinstudium. Bei einem Mitbewohner tauchte damals immer wieder ein Freund aus Bayern auf – Niklas. Die beiden verliebten sich, Niklas zog nach drei Jahren Fernbeziehung zu ihr in den Norden. Als Jana das Studium abgeschlossen hatte, entschied sich das Paar im Jahr 2016, nach St.Johann zu übersiedeln, wo Jana eine Anstellung als Assistenzärztin bekam. „Nik wollte in die Berge, und ich fühlte mich in der Region sowie an meinem neuen Arbeitsplatz gleich wohl.“ 2019, während der Assistenz-Zeit, kam Wunschkind Jael zur Welt. Dass Jana ihre Ausbildung zur Fachärztin fortsetzen würde, war zwischen den beiden Elternteilen vereinbart. „Niklas arbeitete seit seinem 16. Lebensjahr als Zimmerer. Er war der Meinung, es würde ihm nicht schaden, wenn er eine Pause machen und sich beruflich eventuell neu orientieren könnte“, erzählt Jana. Für das inzwischen verheiratete Paar war also alles klar. Im Umfeld der beiden war das nicht ganz so: „Im Krankenhaus wurden Äußerungen getätigt, die mich schon aufhorchen ließen. Dass eine Mutter zu ihrem Kind gehöre, war eine der freundlicheren“, erinnert sich die Ärztin. Aus dem Freundeskreis sei aber viel Bestärkung und Unterstützung gekommen.
Wenn die Milch ausgeht
Jael sei ein recht unkompliziertes Kind gewesen, so Jana. „Zumindest untertags“, schränkt sie lächelnd ein. Die Hebamme hatte den Eltern schon vor der Geburt geraten, die Kleine abwechselnd zu stillen beziehungsweise Milch abzupumpen und dem Baby das Fläschchen zu geben, damit es seine Nahrung abwechselnd von Mama und Papa bekam. „Das hat richtig gut funktioniert.“ Mit Ende des Mutterschutzes, also acht Wochen nach der Geburt, kehrte Jana in Vollzeit an ihren Arbeitsplatz zurück – zur Überraschung vieler Kolleginnen und Kollegen. „Es hieß, wenn das Kind einmal da sei, könne man sich als Mutter nicht lösen. Man prophezeite mir, dass ich während der Hormonumstellung weinend herumlaufen würde. Aber es war nicht so.“ Dafür gebe es mehrere Gründe, so die inzwischen zweifache Mutter: „Wir haben uns gut auf die Situation vorbereitet. Ich war mir außerdem völlig sicher, dass ich meine Ausbildung weiterführen und auch die Finanziererin sein wollte für unsere kleine Familie.“
Das Stillen beziehungsweise Abpumpen funktionierte weiterhin gut – bis auf jene Nächte, in denen Jael mehr trank, als erwartet und die Milch „ausging“. Was tun? Niklas, so erzählt Jana, habe das Baby in den Kinderwagen gepackt und sei mit ihm ins Krankenhaus gekommen, wo sie selbst inzwischen Milch abgepumpt habe. „Schatz, ich geh mal schnell Milch holen“, – dieser Satz bekommt so eine ganz neue Bedeutung, finde ich. „Wir haben es mit Humor genommen“, sagt Jana und lacht. Jael sei schon immer nachtaktiv gewesen, für die Kleine seien die nächtlichen Ausflüge kein Problem gewesen. Ein schlechtes Gefühl oder Gewissen habe sie nie gehabt, sagt Jana. Auch, weil sie gewusst habe, dass ihr Kind nicht fremdbetreut, sondern bei seinem Vater gut aufgehoben war.
Drei Jahre später kam Juri zur Welt – auch er ein Wunschkind. Diesmal blieb Jana insgesamt sechs Monate daheim bei ihren Kindern. In diese Zeit fiel die Trennung von Niklas und damit die komplette Umstrukturierung der Familie. „Es war gut, dass ich in dieser Phase mehr Ruhe hatte.“ Nach den sechs Monaten übernahm Niklas beide Kinder, Jana ging wieder zurück in ihren Job. Die Trennung, das stellt Jana klar, habe nichts mit ihrer Berufstätigkeit zu tun, dafür gebe es andere, triftige Gründe. Sie und Niklas verstehen sich gut, die Obsorge für die Kinder verbindet.
Gleichberechtigt
Niklas ist inzwischen halbtags beschäftigt. Er holt die Kinder von der Krankenhaus-Kinderkrippe („wo die Kleinen sehr liebevoll betreut werden“) beziehungsweise aus dem Kindergarten ab und widmet sich ihnen, bis sie Jana am späteren Nachmittag bei ihm abholt. Den Abend und die Nacht verbringen Jael und Juri bei ihrer Mutter. „Dadurch bekomme ich den ganzen Alltag mit. Ich weiß, was sie erlebt haben, was sie beschäftigt, wie sie zurechtkommen.“ Wenn Jana nach Hause kommt, ist sie also sofort für ihre Kinder da. „Aus Überzeugung, weil ich ganz viel Qualitätszeit mit ihnen haben möchte.“ Sie handelt damit anders als die Väter früher, denen man die Kinder am Feierabend oft nicht zumutete. Wenn Jana Nachdienst hat, bleiben die Kids bei ihrem Vater. „Ich weiß, dass er ebenso auf ihre Bedürfnisse reagiert, wie ich, dass er unsere Kinder in- und auswendig kennt“, sagt sie. Deshalb sei es heute auch völlig egal, ob sich Niklas um den Nachwuchs kümmere oder sie selbst. „Wir sind völlig gleichwertige Bezugspersonen, das ist wichtig.“
Klar, so Jana, müsse der Alltag gut durchgetaktet und geplant sein. „Das ist mit Kindern halt so, auch wenn man weniger arbeitet.“ Nicht immer sei alles leicht und problemlos gelaufen. Die Müdigkeit an manchen Tagen – vor allem nach unruhigen Babynächten – sei immens gewesen. Auch das Alleinsein habe anfangs viel Kraft gekostet. Doch nun habe sich alles eingependelt.
Das Schönste an ihrer Familien-Konstellation sei für sie die intensive Vater-Kinder-Beziehung, die unter anderen Umständen wohl nicht so ausgeprägt wäre, sagt Jana. „Ich denke, dass die beiden auch später einmal sehr von diesem vertrauensvollen Verhältnis profitieren werden.“
Sie würde alles wieder so machen: Kinder bekommen und den beruflichen Weg weitergehen. „Die Vorteile, die sich einem bieten, wenn man das rasch durchzieht und seine Ziele erreicht, das gibt einem schon ein hohes Maß an Zufriedenheit.“ Diese Zufriedenheit ist es wohl, aus der das Andere erwachsen kann: die Freude an den Kindern – das Glück, Mutter zu sein.
Doris Martinz
Vorankündigung:
Wie Niklas den Alltag als Teilzeit-Kraft und Vater erlebt, erfahrt ihr in unserer nächsten Ausgabe.