Peter Seiwald über Erfolge im Bezirk und neue Wege, die Jugendliche für eine Lehre begeistern sollen.
Der Fachkräftemangel beschäftigt die Wirtschaft seit vielen Jahren. Mindestens ebenso lange suchen Einrichtungen wie die Wirtschaftskammer nach einer Lösung für das Problem. Da der Weg zum Facharbeiter/zur Facharbeiterin vielfach über die Lehre führt, widmet man dieser Ausbildungsform seit vielen Jahren einen Schwerpunkt. Junge Leute im Alter von 13 Jahren, in dem üblicherweise die Berufsorientierung beginnt, anzusprechen, sei aber zu spät, weiß Landtagsabgeordneter und Obmann der Wirtschaftskammer Kitzbühel Peter Seiwald. „Wir fangen schon viel früher an und gehen mit Programmen wie ,Erlebnis Umwelt‘ und ,Erlebnis Energie‘ in die Kindergärten“, erklärt er. In der Volksschule schlüpfen SchülerInnen im Zuge des Projekts „KiWi Kinder entdecken Wirtschaft“ in die Rolle eines Unternehmers/einer Unternehmerin. Sie lösen einen Gewerbeschein, kaufen im Großhandel ein, verkaufen ihre Produkte, gehen zur Bank, nehmen einen Kredit auf und mehr. Zum Schluss bekommt jede(r) eine Medaille. „Wir haben das im letzten Dezember in Kitzbühel gemacht, der Saal der Wirtschaftskammer war voll mit Kindern und Begleitpersonen. Das war sehr toll, alle hatten eine Riesengaudi!“ Ziel solcher Aktionen sei es, bei den Kinder das Interesse für und die Lust am Unternehmertum zu wecken. „Früher war der Unternehmer immer ,der Chef vom Papa“, erinnert sich Seiwald. Heute sei er eine coole Persönlichkeit, die die Kinder aus TV-Shows wie „Die Höhle der Löwen“ oder „2 Minuten 2 Millionen“, kennen. „Da hat sich viel getan, da wollen wir ansetzen. Leute, die die Wirtschaft verstehen, verstehen auch, dass eine Fachausbildung hohen Wert hat.“
An diesem Punkt setzt man auch mit den Aktivitäten in der vierten Klasse der Mittelschulen und AHS Unterstufe an. Bei den Bildungsmessen im Bezirk präsentierten sich früher nur die Schulen, zuletzt waren in St. Johann auch 23 Unternehmen dabei, die um Lehrlinge warben.
Damit aber noch nicht genug: Aktivitäten setzt die Wirtschaftskammer inzwischen auch an der AHS Oberstufe und für AbsolventInnen der HASCH und der dreijährigen Tourismusschule. Nur 1,7 Prozent entscheiden sich hier nach dem Abschluss für eine Lehre – das bedeutet enormes Potential. Den AbgängerInnen wird bei der Lehre ein Jahr angerechnet, es soll in Zukunft einen eigenen Zweig für sie geben. „Man denkt da in Richtung College, das als Lehre aufgebaut wird. Die 18- und 19-Jährigen belegen dann eigene Klassen und werden nicht mit den 15-Jährigen unterrichtet, das erhöht die Attraktivität für diese Zielgruppe.“
Die Richtung stimmt
Nach vielen Jahren hat man im Bezirk Kitzbühel endlich den „Turnaround“ geschafft, wie Seiwald sagt – also eine Trendumkehr. Im Herbst 2022 wurden um 16 Prozent mehr Lehrlingsstarter verzeichnet als 2021. „Wenngleich Prozentzahlen ,a Hund‘ sind und 2021 auch aufgrund der Pandemie weniger Lehrlinge aufgenommen wurden: 16 Prozent, das ist eine satte Zahl, das taugt mir sehr. Die Richtung stimmt!“ Der Bezirk Kitzbühel verzeichnet damit die höchste Steigerungsrate Tirols.
2022 starteten die 2007-Geborenen in ihre Lehre. 6.653 Mädchen und Buben kamen in diesem Jahr im Bezirk zur Welt. Zum Vergleich: 1965 waren es 11.405 und damit fast doppelt so viele. 1975 waren es immerhin noch 8.449. Das bedeutet: Es fehlen einfach Leute. Man wird damit leben müssen, denn die Zahl bleibt stabil unter 7.000 Geburten.
Im Bezirk sind zurzeit 886 Lehrlinge beschäftigt. 20 Lehrstellensuchende können aus 415 offenen Lehrstellen wählen (Stand Dezember 2022). „Früher gingen die Eltern und baten bei den Unternehmen darum, dass man ihre Kinder aufnahm“, so Seiwald. Heute suchen UnternehmerInnen händeringend nach Nachwuchs.
Die fünf beliebtesten Lehrberufe bei Mädchen sind Einzelhandelskauffrau, Bürokauffrau und Friseurin, danach kommen die Verwaltungsassistentin und die Pharmazeutisch-kaufmännische Assistentin (PKA). Bei den Burschen sind es mit Metalltechnik, Elektrotechnik, KFZ-Technik, Einzelhandel und Installations- und Gebäudetechnik sehr traditionelle Bereiche, die ganz oben auf der Liste stehen, wobei bei der Metalltechnik und Installation völlig neue Lehrpläne zum Tragen kommen und die KFZ-Technik eine moderne Modullehre geworden ist.
Ausbilder sollen die Schulbank drücken
Sich alleine um die Lehrlinge zu kümmern, sei aber zu wenig, so Seiwald. Am WIFI gibt es deshalb auch einen Schwerpunkt zur Ausbilder-Ausbildung. „In Unternehmen geben zum Teil MitarbeiterInnen den Lehrlinge Wissen weiter, die selber seit zwanzig Jahren keine Fortbildung mehr gemacht haben. Die Umstände haben sich inzwischen aber grundlegend geändert, vor allem die Jugendlichen haben sich verändert. Man muss sich umstellen“, so Seiwald.
Das gesamte Paket an Maßnahmen hat in den letzten Jahren schon einiges bewegt und wieder mehr Jugendliche für eine Lehre begeistert. Jetzt heißt es dranbleiben!
Doris Martinz